"Die geplante Einführung der landesweiten Bezahlkarte in der Stadt Göttingen wird mit deutlicher Kritik aus dem Rat zurückgewiesen", heißt es in einer Pressemitteilung der Grünen vom 16.Mai. Statt auf eine unausgereifte, intransparente Lösung zu setzen, fordert die GRÜNE Ratsfraktion zusammen mit den Fraktionen der GöLinke, der PARTEI und VOLT-Ratsgruppe sowie Ratsherrn Welter-Schultes eine Aussetzung des Vorhabens und eine politische Neuausrichtung hin zu einem sozialem, datenschutzkonformen und praxistauglichem Modell nach dem Vorbild Hannovers.
„Wir sagen Nein zur unausgereiften Bezahlkarte des Landes Niedersachsen und Ja zu einem menschenwürdigen, datenschutzkonformen und praxistauglichen Modell, das Geflüchteten und der Verwaltung gleichermaßen gerecht wird“, betont Leonie Engelbert, Grünes Mitglied im Sozialausschuss und Co-Initiatorin des Dringlichkeitsantrags. „Die Karte, wie sie aktuell vom Land forciert wird, bedeutet Mehraufwand für die Verwaltung, massive Einschränkungen für Betroffene und sie löst kein einziges der zugrunde liegenden Probleme.“
Denn: Die Bezahlkarte sei keine kommunale Pflichtaufgabe, sondern eine Maßnahme des Landes, die ohne ausreichende finanzielle und strukturelle Unterstützung den Städten übergestülpt werde. Neue technische Lösungen, wie die Ein-Personen-Registrierung, lösten dabei nicht die bestehenden Zielkonflikte zwischen Datenschutz, Arbeitsrecht und Umsetzbarkeit, sie kaschieren sie nur.
Cornelius Hantscher, Co-Initiator des Antrags und ebenfalls Grünes Mitglied im Sozialausschuss, betont die Notwendigkeit einer differenzierten kommunalen Entscheidung: „Göttingen sollte sich nicht in ein System drängen lassen, das weder rechtlich noch praktisch ausgereift ist. Wenn eine Maßnahme zugleich neue Belastungen für die Verwaltung schafft und die Teilhabe geflüchteter Menschen einschränkt, dann braucht es eine andere, verantwortungsvollere Lösung vor Ort.“
Die Antragstellenden fordern daher eine Aussetzung der Einführung in Göttingen und eine rechtliche Prüfung in enger Abstimmung mit anderen Kommunen wie Osnabrück. Als positives Beispiel gilt Hannover, wo mit der „SocialCard“ bereits ein Modell etabliert wurde, das den Verwaltungsaufwand reduziert und gleichzeitig diskriminierungsfrei funktioniert.
„Göttingen hat die Chance, sich klar für eine solidarische und rechtssichere Lösung zu positionieren“, so Leonie Engelbert. „Wir müssen jetzt Haltung zeigen, für unsere Stadt und für die Menschen, die hier Schutz suchen.“
Ziel der Bezahlkarte
Bereits seit Ende Oktober erfolgt in der LAB NI die Einrichtung des Bezahlkartensystems und die Anpassung von Verwaltungsabläufen, sodass die Karten voraussichtlich im kommenden Dezember an Geflüchtete persönlich ausgegeben werden können. Die Ausgabe in den niedersächsischen Kommunen erfolgt in einem zweiten Schritt und wird seitens des Landes unterstützt.
Die Bezahlkarte funktioniert wie eine guthabengeführte Debitkarte des Kartenanbieters Visa. Die Karte wird monatlich aufgeladen und kann nicht überzogen werden. Ein großer Vorteil ist, dass Geflüchtete kein Konto benötigen, sondern mit ihrer persönlichen Bezahlkarte direkt bezahlen können. Bei Bedarf können bei diversen Händlern sowie an Geldautomaten bis zu 50 Euro pro Monat abgehoben werden. Wenn besondere Bedarfe vorliegen, wie zum Beispiel bei Schwangeren, kann der Betrag für eine Bargeldabhebung im Rahmen einer Ermessensentscheidung im Einzelfall erhöht werden. Geringere Bargeldauszahlungen minimieren auch das Risiko, dass das Geld, welches für die Deckung des täglichen Bedarfs vorgesehen ist, zweckentfremdet wird und beispielsweise ins Ausland oder an Schleuser abfließt.
Gleichzeitig bietet die Bezahlkarte auch für die Verwaltung erhebliche Vorteile. Bargeldauszahlungen und der damit verbundene Verwaltungsaufwand werden reduziert. Gelder können flexibel per SEPA-Überweisung auf die Bezahlkarte überwiesen werden.
Ziel ist es, alle Grundleistungsempfänger mit einer Karte auszustatten. Zunächst werden die Karten in der LAB NI ausgegeben, sodass die Geflüchteten ihre Karten zu den künftigen Wohnorten in den Kommunen mitnehmen können. Die kommunalen Leistungsbehörden sollen grundsätzlich Anfang des Jahres 2025 in die Lage versetzt werden, Karten aus dem Rahmenvertrag im Namen des Landes abzurufen. Die Karten sind optisch von anderen Debitkarten nicht zu unterscheiden, so sollen Diskriminierungen verhindert werden.