Trans Menschen leben in einem Körper, der nicht zu ihrem inneren Empfinden passt. Ihr biologisches Geschlecht stimmt nicht mit ihrer Geschlechtsidentität überein. In Deutschland betrifft das Schätzungen zufolge rund drei Prozent der Bevölkerung. Einer von ihnen ist Taron: Er wurde als Frau geboren, empfindet und lebt jedoch als Mann. Wir haben mit ihm über seinen bisherigen Weg gesprochen. Über Zweifel und Mut, über medizinische Hürden, gesellschaftliche Grenzen und das Ankommen im eigenen Leben.
Taron weiß, was es heißt, nicht zu passen. Schon als Kind wollte er keine Puppen, keine Kleider, keine rosa Schleifen. „Ich habe mich immer verkleidet gefühlt“, sagt er. Die Kleidung, die andere Mädchen stolz trugen, fühlte sich für ihn an wie ein Kostüm. „Mit der Einschulung begannen dann die Probleme. Ich merkte zum ersten Mal, dass von mir etwas erwartet wurde, was ich nicht wirklich leisten konnte. Zur Einschulung habe ich ein Kleid tragen müssen. Ich erinnere mich, dass es mir sehr unangenehm war, dauernd an mir herum zupfte und ich mich am liebsten versteckt hätte.“
„Im Laufe der Grundschulzeit gab es zunehmend Schwierigkeiten, da meine Mitschüler wohl mein „Anderssein“ bemerkten. Sie fingen an, unfair zu werden. Die Mädchen begannen, mich zu ärgern, indem sie immer wieder sagten, ich sei in die Jungs verliebt, weil ich ausnahmslos Zeit mit Ihnen verbrachte. Den Jungs wurde dieses irgendwann unangenehm, was zur Folge hatte, dass ich in den Pausen allein draußen stand. Mit den Mädchen wollte ich nicht spielen und bei den Jungs war ich nicht mehr willkommen. Ich ging in den Rückzug und spielte viel allein zu Hause oder verbrachte Zeit mit meinen Eltern.“
Mit 17 vertraute er sich seiner Großmutter an. „Ich glaube, ich bin ein Junge.“ Ihre Antwort: „Wenn du dir die Brüste abnehmen lässt, bist du nicht mehr mein Enkel.“ Ein Satz, der sich einbrannte. Also schwieg Taron. Wartete. Versuchte, in Rollen zu leben, die andere für ihn vorgesehen hatten.
Mit Anfang zwanzig begann Taron – damals noch Sabrina – zu verstehen, dass er sich zu Frauen hingezogen fühlte. Zunächst hielt er das für Bisexualität, für eine Phase vielleicht, für ein weiteres Puzzleteil in einem ohnehin verwirrenden Selbstbild. Er führte Beziehungen mit Frauen, verliebte sich, fühlte sich emotional angekommen und doch blieb etwas unvollständig. „Ich war glücklich, aber nicht ganz. Ich hatte das Gefühl, ich lebe immer nur die halbe Wahrheit.“
Gleichzeitig wuchs in ihm ein starker Kinderwunsch. Ein Widerspruch, der ihn innerlich zerriss: sich als Mann zu fühlen, aber den Körper zu haben, der Kinder bekommen kann. Schließlich entschied er sich, eine Beziehung mit einem Mann einzugehen und eine Familie zu gründen. „Ich dachte, vielleicht beruhigt sich dann alles in mir, wenn ich Mutter werde.“ Doch die Beziehung zerbrach schnell. Zurück blieb die Verantwortung für das Kind und die Erkenntnis, dass kein äußeres Modell die innere Wahrheit ersetzen kann. „Ich war da, wo ich immer sein wollte: Ich hatte ein Kind. Aber ich war trotzdem nicht ich.“
Zweiter Anlauf: das Coming-out
2023, bei einem Seminar zur Persönlichkeitsentwicklung, sagte er es laut. Vor Publikum, auf einem Stuhl stehend, mit klopfendem Herzen: „Ich bin nicht Sabrina. Ich bin Taron. Und ich möchte das leben dürfen.“ Seitdem ist alles anders. Der Name ist geändert, der Ausweis neu. Testosteron sorgt für Bartwuchs, die Stimme ist tiefer geworden. Er wirkt selbstbewusst und doch bleibt der Alltag ein Minenfeld. „Ich stehe in öffentlichen Gebäuden und frage mich: Auf welche Toilette darf ich? Auf dem Papier bin ich Mann, biologisch aber noch nicht vollständig. Egal, welche Tür ich nehme – irgendjemand schaut komisch.“ Auch Anfeindungen gehören dazu. Blicke, Sprüche, Grenzüberschreitungen. „Das zerrt an den Nerven. Aber ich will nicht mehr verstecken, wer ich bin.“
Wenn Paragraphen entscheiden
Was für Taron der letzte Schritt zu einem vollständigen Leben wäre, bleibt vorerst ein juristischer Streitfall. Obwohl alle medizinischen Voraussetzungen vorliegen – Diagnosen, Gutachten, Eintragungen, Indikationsschreiben – verweigert die Krankenkasse die Kostenübernahme. Der Grund: Ein Urteil aus dem Jahr 2023, das geschlechtsangleichende Eingriffe als „neue Behandlungsmethode“ einstuft. Damit gilt, was medizinisch längst bewährt ist, rechtlich als nicht anerkannt. Für Taron ist das kaum zu fassen. „Ich habe alle geforderten Nachweise gesammelt, jede Therapie gemacht, jede Untersuchung über mich ergehen lassen und am Ende heißt es, das reicht nicht.“
Die Ablehnung trifft ihn an einem Punkt, an dem er glaubte, endlich angekommen zu sein. Statt Vorfreude auf das, was kommen sollte, dominiert nun wieder Unsicherheit. Zwischen Formularen, Paragrafen und Fristen bleibt das Gefühl, erneut um die eigene Existenz verhandeln zu müssen. Doch Taron kämpft weiter. Er hat eine Spendenkampagne gestartet, um die Operation selbst zu finanzieren. „Ich will kein Mitleid. Ich will Sichtbarkeit! Für mich und für alle, die denselben Weg gehen und an denselben Mauern scheitern.“
Mut statt Mitleid
„Ich weiß, wie einsam man sich fühlt, wenn man glaubt, man sei falsch“, sagt Taron. „Aber niemand ist falsch.“ Und weiter: „Wenn nur ein Mensch durch meine Geschichte den Mut findet, sich selbst zu zeigen, dann hat sich all das gelohnt.“ Und seine Großmutter, die einst sagte, sie verliere ihren Enkel? Sie hat ihre Haltung geändert. Heute steht sie an seiner Seite. Sie sagt jetzt: „Mein großer Taron. Siehst schon aus, wie ein richtiger Junge."
Unterstützung für Taron
Damit Taron seine geschlechtsangleichende Operation finanzieren kann, ist er auf Spenden angewiesen. Trotz aller erfüllten Voraussetzungen lehnt die Krankenkasse die Kostenübernahme ab. Wer seinen Weg unterstützen und ein Zeichen für Selbstbestimmung und Akzeptanz setzen möchte, kann sich an der Spendenaktion beteiligen. Jeder Beitrag hilft – damit Taron endlich im Körper leben kann, der zu ihm gehört.