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Ein Jahrzehnt Engagement für Tiere im Werratal

Seit einigen Jahren gehört Alicja Przybyla zum Vorstand des Tierschutzvereins Werratal. Foto: privat
Seit einigen Jahren gehört Alicja Przybyla zum Vorstand des Tierschutzvereins Werratal. Foto: privat

Wenn man die vergangenen zehn Jahre Tierschutz im Werra-Meißner-Kreis erzählen möchte, führt kein Weg am Tierschutzverein Werratal e.V. vorbei. Seit 2015 ist der Verein aktiv. Was als lokale Initiative begann, hat sich zu einem vielschichtigen Rettungsnetz entwickelt, das Tiere aus Notlagen holt, Pflegestellen betreut, medizinische Versorgung organisiert, politisch Stellung bezieht und immer wieder dort einspringt, wo andere längst aufgegeben haben. Die Geschichte des Vereins beginnt mit Gründerin Anja Steidl, die 2015 den TSV Werratal ins Leben rief. Was damals noch eine privat getragene Herzensangelegenheit war, wurde schon bald ein strukturiertes Ehrenamtsprojekt, das heute ein Einsatzgebiet über drei Bundesländer hinweg abdeckt: von Kassel über Göttingen bis nach Heiligenstadt. Mit der wachsenden Zahl an Hilfefällen wuchs auch das Team. Seit einigen Jahren gehört Alicja Przybyla zum Vorstand und ist als Ansprechpartnerin für Hunde sowie als Verantwortliche für Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und Kassenführung aktiv. „Wir gehen fast täglich über unsere Grenzen hinaus und suchen Lösungen, wo eigentlich gar keine sind“, heißt es im Jubiläumsflyer. Ein Satz, der die Realität des Vereins treffend beschreibt.

Schicksale, die Mut machen

Ein Blick auf die Fälle der vergangenen Jahre macht deutlich, wie notwendig ihre Arbeit ist. Da ist der Rottweiler Max, der 2024 schwer krank zu ihnen kam. Beschlagnahmt aus schlechter Haltung und ohne zu wissen, dass in seinem Körper Lymphdrüsenkrebs wütete. Eine Chemotherapie für Hunde kostet mehrere tausend Euro pro Zyklus; für einen kleinen Verein eigentlich nicht zu stemmen. Doch Aufgeben war keine Option: Es entstand ein Kinderbuch über Max’ Weg in den Tierschutz, dessen Erlöse seine Behandlung mitfinanzierten. Drei Therapiezyklen später ging es Max besser und er durfte 10 Jahre alt werden. „Es ging ihm bis zum Schluss wirklich gut, bis er einfach einschlief. In dieser Zeit haben wir für ihn etwa 12.000 Euro Spenden sammeln können, um die Therapien zu finanzieren“, so Przybyla.

Ähnlich eindrücklich ist die Geschichte von Freya aus Hann. Münden, einer jungen Hündin, die aufgrund der schweren Erkrankung ihrer Halterin alleine in einer Wohnung zurückgelassen wurde. Als der TSV sie übernahm, war sie abgemagert und schwer erkrankt. Erst eine Diagnose ihrer Futtermittelunverträglichkeit und konsequente tierärztliche Versorgung ließen sie Schritt für Schritt genesen. Heute lebt Freya in einem neuen Zuhause.

Die tägliche Katzenrettung

Besonders belastend ist für den Verein die unkontrollierte Vermehrung von Katzen. Kitten, tragende Katzen, kranke Tiere – sie kommen in einer Frequenz, die die Kapazitäten der Pflegestellen regelmäßig übersteigt. Manche Katzenfamilien werden verwurmt, geschwächt oder mit Katzenschnupfen eingeliefert (meistens selbst mit Hilfe einer Falle eingefangen), oft ohne Muttertier. Die Versorgung ist aufwendig, teuer und fordert das Ehrenamt bis an die Grenze. Dennoch gelingen immer wieder kleine Wunder: Familien wie die „Saunazwerge“ oder die „Peaky-Blinders-Kitten“ wurden komplett aufgepäppelt, medizinisch stabilisiert und vermittelt – inklusive Muttertiere, die erst nach Amputationen oder Operationen wieder ein lebenswertes Leben führen konnten.

Tierschutz trifft Politik

Doch Tierschutz endet für den TSV Werratal nicht bei medizinischer Versorgung und Vermittlung. Der Verein wird politisch, wenn politische Entscheidungen Tiere gefährden. So geschehen 2025 in Göttingen, als die Stadt eine massive Erhöhung der Hundesteuer für bestimmte Rassen beschloss. Die Ehrenamtlichen organisierten eine Mahnwache, sammelten Fälle, führten Gespräche und reichten eine ausführliche Initiative ein. Denn die neue Einstufung betraf Tiere, die wissenschaftlich nicht als gefährlicher gelten, aber nun kaum vermittelbar waren. Der Verein warnt: Wer unüberlegt handelt, belastet langfristig Tiere, Halter und Tierheime gleichermaßen. „Seit der Einführung im Juli wurde ich bei bereits in zehn Fällen aus dem Kreis Göttingen (Vetamt, Ordnungsamt) zu nun gefährlich eingestuften Hunden um Hilfe gebeten, weil hier Hunde beschlagnahmt werden mussten, aber keine Kapazitäten für die Aufnahme bestehen. Unser Verein hat vier Hunde selbst aufgenommen und bei der anderen Hilfe geleistet“, so Przybyla.

Festtage mit Folgen

Mit Blick auf die Jahreszeit weisen die Ehrenamtlichen zudem auf zwei wiederkehrende Herausforderungen hin: Weihnachten und Silvester. Jedes Jahr landen bundesweit tausende Tiere nach den Feiertagen wieder im Tierschutz. Verschenkt ohne Vorbereitung, überfordernd im Alltag, teuer in der Versorgung. Ein Haustier ist kein Überraschungsgeschenk, sondern eine Verpflichtung über viele Jahre. Deshalb ruft der Verein eindringlich dazu auf, Tiere nicht unter den Weihnachtsbaum zu legen, sondern stattdessen beispielsweise Patenschaften oder Spenden zu verschenken.

Zum Jahresende folgt das nächste Problem: Silvester. Viele Haustiere reagieren mit Fluchtverhalten, Angstattacken oder Stresssymptomen panisch auf Feuerwerk. Der Verein rät, Tiere nicht allein zu lassen, Rückzugsorte zu schaffen, Spaziergänge frühzeitig zu erledigen und Fenster geschlossen zu halten. Freiverkäufliche Beruhigungsmittel seien nur in Absprache mit Tierärzten zu verwenden. Prävention und Achtsamkeit seien der beste Schutz für die Tiere in der lautesten Nacht des Jahres.

Erst vor Heiligabend wird die Tierschutzarbeit des Vereins um einen weiteren Baustein ergänzt: die Kasseler Weihnachtsaktion, bei der der TSV Bedürftige und deren Tiere unterstützt. Mit Tee, Kleidung, Tierfutter und kleinen Geschenken ist diese Aktion zwar nur ein kleiner Teil des Gesamtjahres, aber ein besonders menschlicher. Sie zeigt, dass Tierschutz und soziale Verantwortung miteinander verwoben sind, denn viele Menschen, die am wenigsten haben, teilen das Wenige mit ihren Tieren. 2025 feiert der Tierschutzverein Werratal sein zehnjähriges Bestehen. Ein Jahrzehnt, das geprägt war von Rettungseinsätzen, Kämpfen, Erfolgen, Rückschlägen und unzähligen Tierleben, die ohne den Verein verloren gegangen wären. „Alles geben für ein Leben – für ein Leben zu kämpfen, wo andere vielleicht schon aufgeben würden.“