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Das Grabmahl der Eberweins kehrt zurück

Die Gedenkstätte der Familie Eberwein ist eine neue Komposition und hat mit dem historischen Grabmal nichts mehr zu tun. Fotos: Bernard Marks, Bachmann
Die Gedenkstätte der Familie Eberwein ist eine neue Komposition und hat mit dem historischen Grabmal nichts mehr zu tun. Fotos: Bernard Marks, Bachmann

Weende, St. Petri-Friedhof – Ein riesiger Autokran steht auf dem Parkplatz neben der Kirche St. Petri, direkt vor dem Pfarrhaus in Weende. Zahlreiche Handwerker tummeln sich an diesem sonst eher beschaulichen Ort des Göttinger Vorortes.

Für Uwe Grieme, Vorsitzender des Kirchenvorstandes, ist es ein besonderer Tag: Das historische Familiengrab der Weender Industriellenfamilie Eberwein soll nach seiner aufwendigen Restaurierung als komplettes Ensemble auf den Friedhof St. Petri zurückkehren. Eine logistische Schwerstaufgabe steht bevor: Drei über zwei Meter hohe steinerne Säulen sollen, in mehrere Einzelteile zerlegt, mit dem Autokran über eine Distanz von 41 Metern durch die Luft bewegt werden. Das Ziel ist ein zugewiesener Platz auf dem Friedhof. Die Herausforderung ist dabei das enorme Gewicht. „Allein der untere Kubus einer Säule wiegt mindestens 1,5 Tonnen, und die fünf Säulenteilstücke nochmals jeweils eine halbe Tonne“, berichtet Nina Bachmann-Dämmer (37), Restauratorin und Inhaberin der Bachmann & Wille GmbH. Die Weender Ortsrätin begleitet das Projekt seit 2021 mit viel Herzblut.

„Für mich wird heute ein Kindheitstraum wahr“, sagt Sebastian Eberwein, der für die Wiederaufstellung des Grabmals seiner Vorfahren eigens aus Luxemburg angereist ist. Der 61-jährige Unternehmensberater ist einer von fünf Geschwistern und Hinterbliebenen der Industriellenfamilie Eberwein. „Unser Familiengrab ist eines von drei prominenten Gräbern auf dem Friedhof St. Petri.“


Sebastian Eberwein ist in Weende aufgewachsen und lebt heute als Unternehmensberater in Luxemburg.

Neben den Grabstätten der Weender Unternehmerfamilien Thiele und Lütgens existierte das Grab Eberwein in seinem originalen Zustand bis in die 1960er-Jahre“, erzählt er. Doch mit dem Ablauf zweier Gräber wurden 1960 zwei der drei Säulen entfernt. Sie galten daraufhin als verschollen. Als Zehnjähriger spielte Eberwein oft im Garten seines Schulfreundes – dort entdeckte er zwei große Steinsäulen, auf denen er die Namen seiner Vorfahren erkannte. Sie hatten ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Der Vater seines Freundes, ehemaliger Friedhofswärter von St. Petri, hatte die Säulen einst vor der Entsorgung bewahrt. „Wenn ich einmal nicht mehr bin, kannst du sie haben“, versprach er dem Jungen damals. Jahrzehnte später erinnerte sich Eberwein noch an dieses Versprechen – und setzte alles daran, die Säulen zu sichern. So fanden die Rohn’schen Säulen schließlich ihren Weg in die Hände von Nina Bachmann-Dämmer vom Weender Natursteinrestaurierungsbetrieb Bachmann & Wille.

„Als die Säulen eintrafen, waren sie stark verwittert: mit Moos bewachsen, von Salzausblühungen gezeichnet, die Vasen zerbrochen“, erzählt Nina Bachmann. Doch für das Restauratorenteam von Bachmann & Wille war dies keine unlösbare Aufgabe, sondern eine spannende Herausforderung. Zunächst wurden die Oberflächen behutsam von Hand und mit Heißwasserdampf gereinigt. Zur Erhaltung der Substanz kamen Kompressen zur Salzreduzierung zum Einsatz. Die Festigung erfolgte mit Kieselsäureester, fehlende Partien wurden mit Steindersatzmörtel ergänzt.

Auch die Vasen wurden wieder zusammengesetzt und bildhauerisch ergänzt. In Teilbereichen wurde eine schützende Schlämme aufgetragen. So konnten die Säulen in einen Zustand zurückgeführt werden, der uns heute eine gute Vorstellung vom Original vermittelt. „Wenn ich jetzt vor den Säulen stehe, bin ich ob ihrer mächtigen Präsenz, der kunstvollen Details und der stillen Erhabenheit tief bewegt – es ist, als würde man für einen Moment in eine vergangene Zeit eintreten“, sagt die junge Restauratorin.

Heute steht das restaurierte Grabmal zwar nicht mehr an seinem Ursprungsort, aber in direkter Nachbarschaft zu den Ruhestätten der anderen Weender Unternehmerfamilien. „Es ist nun nicht mehr eine Grabstätte im engeren Sinn, sondern eine würdige Gedenkstätte – ein Ort des Erinnerns, der Geschichte und des stillen Innehaltens. Die Anlage soll künftig allen Weenderinnen und Weendern auf dem Friedhof St. Petri auch als Ort des Verweilens und der Ruhe dienen“, sagt der Kirchenvorstand Uwe Grieme. Bänke und Gedenktafel werden noch folgen. Der Weender Ortsrat hatte dem Vorstand der Kirchengemeinde im November 2024 vorgeschlagen, das Ensemble dauerhaft zu erhalten. Als Begründung wurde die lokal- und wirtschaftshistorische Bedeutung der Familie Eberwein angeführt. Besonders im historischen Westteil des Friedhofs lasse sich die Entwicklung der einst bäuerlich geprägten Weender Gemeinde zum industriell geprägten Ort nachvollziehen. Die Grabanlagen der Unternehmerfamilien legen davon bis heute beredtes Zeugnis ab. Umso erfreulicher sei es, dass das Grabmal der Familie Eberwein nun mit großem Einsatz wieder zusammengeführt und für die kommenden Generationen erhalten werden konnte – gepflegt und finanziert durch die Familie selbst.


Die Geschichte rund um das Familiengrab der Weender Industriellenfamilie Eberwein hat es in sich. Das historische Grab bestand aus drei korinthischen Säulen, die jeweils mit einer Vase bekrönt waren. Es wurde um 1830 vom bekannten Göttinger Bildhauer Christian Friedrich Andreas Rohns (1787–1853) geschaffen und stand bis in die 1960er-Jahre komplett in der Reihe mit den zwei Unternehmerfamilien Thiele und Lütgens. Auftraggeber war Johann Christian Berthold Eberwein (1777–1830), der 1822 die „Scharfsche Mühle“ erwarb, um ein Jahr später – in den Anfängen der Industrialisierung – die Eberweinsche Tuchfabrik in Weende zu gründen.

Zuvor hatte der Unternehmer eine Färberei in der Roten Straße und ab 1816 eine Fabrik zur Herstellung von „Coatings“, einem filzartigen Tuch, welches er zunächst in Duderstadt herstellen ließ und mit dem Ausbau der Weender Fabrik in der Folgezeit sukzessive nach Weende verlagerte. „Obwohl der große Göttinger Tuchmanufaktorist Grätzel damals ein Monopol zur Herstellung von Wolltuch besaß, war es Eberwein gelungen, seine wirtschaftlichen Aktivitäten auszuweiten“, schreibt Uta Schäfer Richter in ihrer Dissertation „Industrialisierung und gesellschaftlicher Wandel in der Region“.

Zunächst wurden die Spinnmaschinen und mechanischen Webstühle mit Wasserkraft betrieben. Der Straßenname „An den Weender Mühlen“ erinnert heute noch an die zahlreichen Mühlen, die einst in diesem Bereich von Weende standen. Aufgrund des starken Gefälles flossen die Wassermassen dort mit hoher Geschwindigkeit. Im Jahr 1860 kaufte die Industriellenfamilie Eberwein schließlich erstmals eine Dampfmaschine. Bis 1967 bestand die Tuchfabrik Eberwein.

Die „Christian-Eberwein-Straße“ erinnert noch heute an den visionären Weender Unternehmer aus jener Zeit. Er war der Erste, der im historischen Familiengrab auf dem Friedhof St. Petri begraben wurde, nachdem er im Jahr 1830 im Alter von 53 Jahren gestorben war. Nur zehn Jahre später fand sein Sohn im Alter von 37 Jahren darin seine letzte Ruhestätte; er war in der Fabrik verunglückt und nach monatelangem Krankenlager verstorben. Sein jüngster Bruder war schon sieben Jahre vor ihm im Alter von 25 Jahren hier begraben worden.