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Es ist heute noch ein Wunder

Traum vom Jagen: Jan-Erik, hier mit einem Jäger gemeinsam auf einem Hochsitz in der Gemeinde Gleichen, hofft auf eine bessere Zukunft. Fotos: Bernard Marks.
Traum vom Jagen: Jan-Erik, hier mit einem Jäger gemeinsam auf einem Hochsitz in der Gemeinde Gleichen, hofft auf eine bessere Zukunft. Fotos: Bernard Marks.

Von Lutz Conrad

Sein Schicksal berührte vor 20 Jahren die Herzen der Menschen in ganz Göttingen und Umgebung: Jan-Erik war damals sechs Jahre alt, als seine Familie am 2. April 2005 die niederschmetternde Diagnose erhielt: Leukämie mit Befall des Zentralen Nervensystems, eine äußerst aggressive Form von Blutkrebs. Ein Schock! In seinem Körper wurden 98 Prozent Krebszellen festgestellt, es wurde sofort mit einer Chemotherapie begonnen. Es war fraglich, ob er überhaupt die nächste Nacht überlebt. Klar war auch: eine Überlebenschance gab es nur mit einer Stammzelltransplantation. Dafür musste allerdings ein passender Spender gefunden werden. Es begann eine beispiellose Reihe an Hilfsaktionen, um diesen zu finden. Die Menschen in ganz Südniedersachsen und weit darüber hinaus unterstützen die Aktion mit Blutspenden und Geld, um Jan-Erik zu helfen. Und Jan-Erik lebt! Er ist heute 26 Jahre alt, ein junger Mann, der wie alle anderen Pläne für die Zukunft schmiedet. Wir haben ihn und seine Mutter Claudia in Göttingen-Geismar besucht und werfen einen Blick zurück auf die dramatischen Wochen und Monate vor 20 Jahren. „Eigentlich ganz gut“, antwortet Jan-Erik auf die erste Frage nach seinem Befinden. Viel redet er nicht, ansonsten sitzt dort ein junger Mann mit einem typischen Outfit für seine Generation: coole Klamotten und Baseball-Cap. Er arbeitet in der Holzbearbeitung der Göttinger Werkstätten, die Hobbys wechseln zwischen Tischtennis und Spazierengehen, bei der Netflix-Serie „Vikings“ kann er die Dialoge fast auswendig mitsprechen, er hängt viel am Handy rum und er hat Träume: „Eine eigene Wohnung! Und ich möchte gern einen Jagd- und Angelschein machen. Und natürlich den Führerschein“, sagt er. Bei einer Treibjagd war er schon dabei, seitdem ist die Jagd seine große Leidenschaft. An die Vergangenheit erinnern nur noch die Medikamente, die der 26-Jährige auch heute täglich nehmen muss: Blutdruck, Herz und Nieren, die Chemotherapien und die Stammzelltransplantation im Kindesalter haben ihre Spuren hinterlassen. An die Zeit damals erinnert er sich noch heute: „Papa, ich sehe alles doppelt.“ Mit diesem Satz fing alles an! Es folgte ein leidvoller Weg voller Höhen und Tiefen, ein Kampf auf Leben und Tod.

März 2005: Häufiges Nasenbluten, Doppelbilder, Untersuchung im Universitätsklinikum. Erster Verdacht: eine Virusinfektion. 1. April 2005: Jan-Erik geht es zusehends schlechter, Nasenbluten, Kopfschmerz, Übelkeit, wieder ins Klinikum. 2. April 2005: Verlegung in die Kinderonkologie, dann die niederschmetternde Diagnose: Leukämie mit Befall des Zentralen Nervernsystems, eine äußerst aggressive Form von Blutkrebs, sofort wird die erste Chemotherapie eingeleitet April bis August 2005: 4 Chemotherapien in 4 Monaten 1. September 2005: Entlassung aus der Klinik 11. September 2005: Ein Rückfall, Lichtempfindlichkeit, Kopfschmerz, Erbrechen, wieder in die Klinik, erneute Chemotherapie. Die Zeit drängt, Jan-Erik benötigt eine Stammzelltransplantation, die Suche nach einem passenden Spender läuft auf Hochtouren Oktober 2005: Die Knochenmark- und Stammzellspenderdatei Göttingen (KMSG), Universitätsklinikum (Abt. Transfusionsmedizin), Jan-Eriks Familie und die Sonntagszeitung ExtraTiP rufen zu der großen Rettungs- und Spendenaktion „Ein kleines Herz will weiterleben“ auf. 15. November 2005: Göttingens Oberbürgermeister Jürgen Danielowski ruft die Bevölkerung auf, sich Typsisieren zu lassen und Geld zu spenden, um Jan-Erik zu helfen. 18. November 2005: Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen übernimmt die Schirmherrschaft für die Hilfsaktion. „Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass sich der richtige Spender findet und die Behandlung erfolgreich weitergeführt und abgeschlossen werden kann, damit ihr Sohn eines Tages glücklich in die Zukunft schauen kann“, so von der Leyen. 27. November 2005: Große Typisierungsaktion in der Weender Festhalle, Tuspo Weende, die Weender Feuerwehr und vielen weitere freiwillige Helfer wie die Johanniter sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Sage und schreibe 1.589 GöttingerInnen lassen sich typisieren. Die Kosten, die Blutspenden analysieren zu lassen, belaufen sich auf 79.450 Euro. Die können später durch die Spenden auf dem Konto Jan-Erik bei der Sparkasse Göttingen beglichen werden, zumal sich Schulklassen, Sportvereine, Firmen und Privatpersonen für die gute Sache engagieren.

Und selbst die Schulkameraden, die ihren Mitschüler Jan-Erik bis dahin noch gar nicht gesehen haben, sind dabei: „Lieber Jan-Erik, ich heiße Jonas-Maximilian und gehe in deine Klasse. Ich denke oft an dich! Ich hoffe, das wir uns bald in der Schule sehen. Mein Taschengeld spende ich für dich, damit du bald gesund wirst und wir zusammen spielen können. Bis bald Jonas“ 5. Dezember 2005: die Nachricht, auf die alle so gehofft haben. Bundesweit sind gleich zwei passende Spender gefunden worden, beide mit 100 Prozent Übereinstimmung bei den Gewebemerkmalen. Was für ein Weihnachtsgeschenk! Dezember 2005: Die Medizinische Hochschule Hannover lehnt die Transplantation ab, die Überlebenschance sei mit 15 Prozent zu gering. 23. Januar 2006: Jan-Erik und Familie machen sich auf die Reise nach Essen in das dortige Klinikum. 7. Februar: der Tag der Stammzelltransplantation. „Sie haben ihren Sohn schon einmal auf die Welt gebracht, heute dürfen sie es ein zweites Mal tun“, fordert die Krankenschwester Mutter Claudia auf, höchstpersönlich den Knopf zu drücken, der die lebensrettende Transplantation in Gang setzt. Juli 2006: Jan-Eriks Familie erhält Post von dem Stammzellen-Spender, einem zweifachen Familienvater aus Landshut: Eine Postkarte mit einem Glücksschwein, dazu ein Tierbilderbuch mit dem Titel „Ich drücke dir die Daumen“. Darin steht als Signatur: „Für einen kleinen Freund von einem großen Freund“. Kennenlernen dürfen sie den anonymen Spender erst in zwei Jahren. 2. September 2006: Jan-Eriks Einschulung in der Weender Hainbundschule.

Mutter Claudia heute: „20 Jahre sind nun vergangen, eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Wir fühlen uns durch das Universitätsklinikum Lübeck, die Universitätsmedizin Göttingen und Jan-Eriks Hausarzt sehr gut versorgt, auch heute noch. Aber stets gehen bei mir bei jeder Erkältung, Fieber oder Kopfschmerzen die Alarmglocken an. Auch die Ärzte sind dann immer wieder in Alarmbereitschaft. Aber über allem steht: Alles, was wir heute erleben und Lebensfreude können wir tatsächlich nur teilen, weil es damals einen Spender gab, der ohne zu zögern sich bereit erklärte, sein Knochenmark zu spenden. Da werden wir ewig für dankbar sein und bleiben.“

Der Text stammt aus der Tastatur eines Plattformpartners. Er entspricht den Veröffentlichungskriterien von MeineRegion365.de, spiegelt aber inhaltlich nicht unbedingt unsere Meinung wieder. Der Text kann werbliche Elemente enthalten.