Werbung
Artikelfoto Privat

30 Prozent mehr Kunden während Corona

Tafel Münden e.V / Im Gespräch mit Barbara Jankowski

„Ich merke immer wieder, dass sich Menschen, die zur Tafel gehen, schämen. Ich wünsche mir, dass dieses Stigma wegfällt. Es geht nämlich vor allem darum, dem Überfluss der Lebensmittelproduktion entgegenzuwirken. Es muss ein Wandel in den Köpfen stattfinden.“ Mit diesen eindringlichen Worten beschreibt Barbara Jankowski, Zweite Vorsitzende des Vereins Mündener Tafel e.V. die größte Hemmschwelle, die Berechtigte haben, wenn sie zur Mündener Ausgabestelle gehen.

„Es wird Tafeln so lange geben, wie es Überfluss an Lebensmitteln gibt.“ Oft hört die Kirchenkreissozialarbeiterin von potenziellen Kund*Innen, dass sie „doch nicht arm seien und es Menschen gäbe, die viel schlechter dran sind.“ Dann macht sie klar: „Es sind keine armen Menschen, die zur Tafel kommen. Sie haben vielleicht weniger Geld, aber sie meistern ihr Leben, ihren Alltag und ihre besonderen Herausforderungen.“ Und: „Zum Glück holen sie Lebensmittel ab – diese würden sonst auf dem Müll landen.

Die individuellen Hürden seien hoch. Grundsätzlich habe aber jeder Leistungsempfänger, egal ob er Kinderzuschlag, Wohngeld, Sozialhilfe, Asylbewerberleistung oder Hartz IV beziehe, die Möglichkeit in Hann. Münden zweimal wöchentlich einzukaufen. Für 50 Cent bekommen Menschen mit niedrigem Einkommen hier eine Tüte voller hochwertiger Nahrungsmittel. Jankowski stellt jedoch klar: „Wir sind keine Grundversorger. Wir leben in einem Sozialstaat, in dem das Existenzminimum alle Bewohner*Innen mit dem Nötigsten versorgen muss.“ Sie weiß aber auch, dass sich die Einkommensverhältnisse gerade in den vergangenen Monaten der Corona-Krise geändert haben und dass die Preissteigerung der Grundnahrungsmittel für eine Zuspitzung finanzieller Engpässe in zahlreichen Haushalten verantwortlich ist. So sei beispielsweise der Preis für die günstigsten Discounter-Nudeln von 50 auf 65 Cent gestiegen – das entspricht einer Steigerung von 24 Prozent.

Rund 30 Prozent mehr Kunden habe man bei der Tafel seit Corona. Wöchentlich gibt es nach Auskunft von Jankowski neue Kundenanträge. Und dennoch: „Wir sind keine Armenspeisung. Wir bewahren Lebensmittel vor dem Wegwerfen und geben sie an Menschen weiter, die sie gut gebrauchen können.“ Oftmals kämen zur Tafel qualitative, hochpreisige Waren und viel Obst und Gemüse in Bioqualität. Zweimal pro Woche tourt ein Fahrerteam mit drei Kleintransportern durch Hann. Münden und das Umland. Hier sammeln sie in Supermärkten, Bäckereien und Tankstellen Lebensmittel ein, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen.

Durch den Einkauf der etwa 160 registrierten Kunden werden - mit Familienanschluss - etwa 600 Menschen versorgt. Der Altersdurchschnitt reicht damit vom Baby bis zum betagten Rentner. Manche kommen zweimal wöchentlich, andere wiederum erst zum Monatsende: Wenn das Geld knapp wird. Die Ausgabe erfolgt im Geschwister-Scholl-Haus. Hier bauen ehrenamtlich jeden Montag und Donnerstag die Ausgabestelle auf, nehmen leere Einkaufstaschen entgegen und füllen sie mit den gewünschten Waren. Auch auf persönliche Präferenzen wird Rücksicht genommen.

Mit dem Krieg in der Ukraine erwarte Jankowski einen „noch nicht absehbaren Zuwachs“ an neuen Kunden für die Tafel. Durch ihre Tätigkeit bei der Diakonie ist sie früh im Prozess der Ankommenden involviert und vermittelt dann auch beim Antrag auf den Berechtigungsschein für die Mündener Tafel.

Eine gefüllte Tüte mit guten Lebensmitteln kostet 50 Cent. Das ist vergleichsweise wenig. Andere Tafeln nehmen 2 Euro und mehr. Auch gibt es in Hann. Münden keine Reglementierung, ob man die Ausgabe zweimal wöchentlich nutzt oder nur einmal im Monat. Jeder, der Hilfe braucht, bekommt sie hier. Der Verein kann die Lebensmittel so günstig anbieten, weil sie viele ehrenamtliche Unterstützer hat. Außerdem stellt die Stadt Hann. Münden die Ausgabestelle sowie ein Lager kostenfrei zur Verfügung. Von den 50 Cent pro Ausgabe konnte man bislang die Spritkosten für die Transporte finanzieren.

Viele Lebensmittel kommen zur Tafel, weil sie kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sind. Darum sind Konserven oder Grundnahrungsmittel wie Mehl und Zucker mitunter rar. Aktionen in Supermärkten oder Aufrufe von Schulen sichern dann den Bestand an haltbaren Waren. Außerdem ist die Tafel Münden Teil des Südniedersächsischen Verbundes der Tafeln. Ein gemeinsames Lager in Northeim ist zentrale Verteilstelle für alle beteiligten Vereine.

Während der Corona-Zeit war man auch in Hann. Münden darauf angewiesen, dass sich sowohl Kunden als auch ehrenamtliche Helfer an die neue Situation anpassen. „Wir mussten die komplette Lebensmittelausgabe umorganisieren“, beschreibt Jankowski. Als „gemeinsamen Kraftakt eines tollen Teams“ beschreibt sie rückblickend die schwierige Zeit. Auch heute dürfen die Kunden der Tafel die Räumlichkeiten im Geschwister-Scholl-Haus nicht betreten. „Sie müssen draußen warten – oft bei Wind und Regen. Aber wir tun das alles, um sowohl unsere Mitarbeiter*innen als auch unsere Kunden zu schützen.“ Und das Konzept ist aufgegangen: „Es gab keine einzige Infektion.“ Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter ist ihr freiwilliges Engagement aber auch mit Strapazen verbunden: „Bei uns mitzuwirken, ist körperlich anstrengend. Die Waren müssen geschleppt und sortiert werden. Der Stand muss zweimal wöchentlich auf- und wieder abgebaut werden. Und anschließend wird auch noch geputzt“.

Auf Initiative der Diakonie wurde die Mündener Tafel in 2005 in Zusammenarbeit mit der GAB sowie Kirchen- und Wohlfahrtsverbänden gegründet. Weitere Infos gibt es auf der Seite: www.muendener-tafel.de. Der Verein freut sich auch weiter über ehrenamtliche Helfer. Insbesondere wäre es toll, „wenn sich jemand finden würde, der die Pflege unserer Website übernimmt.“