Damals auf dem Wochenmarkt
- Von Markus Hartwig --
- 01.08.2022
Die Neugestaltung des Wochenmarktes ist in vollem Gange. Es werden Kanalgräben neu gelegt und Schachtlöcher gesetzt. Für gewöhnlich tritt bei solchen Arbeiten die Stadtarchäologie auf den Plan. Denn man weiß aus der Vergangenheit, dass Göttingen diesbezüglich einiges zu bieten hat. Stadtarchäologin Betty Arndt: „Wir sind hier in dem für die Archäologie interessanten Altstadtbereich. Deshalb führen wir archäologische Untersuchungen durch. Entweder vor den Baumaßnahmen oder – wie aktuell – als archäologische Begleitung.“ Und diese Begleitung erfolgt nach dem Verursacherprinzip. Demnach gehen die Archäologen nur soweit in Fläche und Tiefe, wie es der Baubetrieb erfordert. Die Grabungen gehen also nicht weiter, auch, wenn sich außerhalb des Areals weiteres Interessantes zeigen würde.
Grubenhäuser in Schachtlöchern entdeckt.
Die Archäologen richten sich also nach dem Workflow der Bauleute. Zum Zeitpunkt der Recherche am 11. Juli beispielsweise waren zwei große Schachtlöcher für jeweils eine Zisterne als Fertigbauteil zu sehen. „Und genau dort sind sehr schöne Befunde zutage getreten“, freut sich die Stadtarchäologin, und präsentiert Fragmente sehr alter Gebrauchsgegenstände wie etwa Teile einer Tüllenkanne zum Ausschenken von Flüssigkeiten bei Tisch oder zum Dosieren beim Kochen. Aufgrund der rot gebrannten Keramik und der speziellen Technik Magerung wissen die Archäologen, dass die Gegenstände hier vor Ort in Gutingi gefertigt worden sind. In diesem Bereich hat die Stadtarchäologie bereits in der Vergangenheit Teile der Vorgängersiedlung Göttingens, Gutingi, ans Licht geholt. Vergangenheit, das bedeutet den Zeitpunkt der Kaufland-Baustelle. Arndt: „Das war das erste Mal, dass wir diese namengebende Siedlung, die 953 erstmals erwähnt wurde, ausgraben und auch den Bach Gote nachweisen konnten. Aber wir wussten damals nicht, wie weit sich Gutingi nach Westen ausdehnt.“
Funde aus der Zeit vor Göttingen
Die aktuellen Funde markieren eine Zeit vor Gründung der eigentlichen Stadt, man bewegt sich etwa im zehnten, elften Jahrhundert. Gefunden wurden Nachweise von vier Grubenhäusern. Das sind bis zum Knie eingetiefte und überdachte einfache Handwerkshäuser, in denen unterschiedlichste Arten handwerklicher Tätigkeiten verrichtet worden sind.
Mit den zwölf gleichen Häusern auf dem Kaufland-Gelände sind es nun 16 in diesem Areal. Archäologin Arndt: „Das ergänzt unsere Kenntnis ganz enorm.“
Übrig bleibt die Dokumentation
Um die Arbeiten zu verfolgen, muss der Blick in die Tiefe gerichtet werden. Hier fallen durchnummerierte rote Fähnchen auf. Sie dienen als Markierung von Fundstellen. Diese werden skizziert, beschrieben und fotografiert. „Wenn die Archäologen fertig sind, ist das alles weg. Es bleibt hinterher nichts anderes übrig als die Dokumentation“, erläutert Kai Gößner, der die archäologischen Arbeiten am Wochenmarkt koordiniert.
Nur ein paar Meter weiter und dicht am Parkhaus gelegen, zeigt eine weitere Grube eine Verfärbung aus ziegelrotem Lehm mit dunklerer Erde in der Mitte. Diese Zeichen von Hitzeeinwirkung geben Fachleuten den Verdacht auf eine Ofenanlage. Links daneben zeigt sich ein weiteres der vier Grubenhäuser, die oft auch mit ebenen Holzfußböden ausgestattet waren.
„Zerstörende Wissenschaft“
Die Archäologen Arndt und Gößner beschreiben ihr Fachgebiet als „zerstörende Wissenschaft“. Die Archäologie mache das kaputt, was sie untersucht. Genauer gesagt: „Wenn die Erde für die Baumaßnahmen sowieso beseitigt werden muss, dann ist es besser, wir beseitigen das kontrolliert nach Vorgaben. Die Archäologie verzeiht uns keine Fehler. Denn wir haben keinen zweiten Versuch.“