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Artikelfoto © ESA & NASA/Solar Orbiter/EUI & STIX Teams

Der Sonne so nah wie nie

Raumsonde Solar Orbiter: Technik und Know-how aus Göttingen an Bord

Bereits zwei Jahre ist die Raumsonde Solar Orbiter im All unterwegs. Jetzt lieferte sie sensationelle Bilder, nur etwa 48 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Es sind die höchstaufgelösten Aufnahmen aller Zeiten, und möglich machten dies auch Technik und Know-how aus Göttingen. Das hier ansässige Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) war mit seinem Team maßgeblich an der Mission der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA beteiligt, vier der zehn wissenschaftlichen Instumente an Bord der Sonde stammen aus Südniedersachsen, auch an der Auswertung der übermittelten Daten sind die Göttinger Sonnenforscher beteiligt. Gewaltige 150 Millionen Kilometer liegen zwischen der Erde und der Sonne. Es war also eine gewaltige Reise für die Raumsonde Solar Orbiter, eine Reise, die sich gelohnt hat. Die neuen Messdaten zeigen die äußere, heiße Atmosphäre der Sonne, die Korona, in bisher unerreichter Detailschärfe. Die Aufnahmen lassen hochaufgelöste koronale Bögen sowie eine kuriose strahlenförmige Struktur erkennen und bieten einzigartige Ansichten der Polregion der Sonne. Mit Spannung waren die Ergebnisse auch in Göttingen erwartet worden, jetzt veröffentlichten die Teams aller zehn wissenschaftlichen Instrumente erste Ergebnisse und Bilder aus dieser Missionsphase. Dabei zeigt sich die besondere Stärke der Sonde: der gleichzeitige Blick in verschiedene Schichten der Sonne. 

Die Sonne ist der Stern, der der Erde am nächsten ist und das Zentrum des Sonnensystems bildet. Ihr Durchmesser ist mit 1,4 Millionen Kilometern etwa 110 Mal so groß wie der der Erde. Auf einen Abstand von nur etwa 48 Millionen Kilometern hatte Solar Orbiters Flugbahn die Sonde am 26. März an die Sonne herangeführt. Das entspricht weniger als einem Drittel der Entfernung zwischen Erde und Sonne – und markiert einen vorläufigen Höhepunkt der Mission. Nur drei Raumsonden sind der Sonne jemals nähergekommen – keine davon allerdings mit abbildenden Instrumenten, die auf die Sonne schauen. Solar Orbiter hingegen blickt mit sechs wissenschaftlichen Instrumenten auf Oberfläche, Atmosphäre und Umgebung der Sonne, vier weitere vermessen die Teilchen und elektromagnetischen Felder, die die Raumsonde umströmen.

In den Tagen um den jüngsten Vorbeiflug waren alle Instrumente in Betrieb. Wegen der aktuell großen Entfernung zwischen Raumsonde und Erde ist die Datenübertragungsrate allerdings derzeit gering. Nur ein Teil der aufgenommenen Messdaten hat deshalb bisher die Erde erreicht und konnte in den vergangenen Wochen von den wissenschaftlichen Teams gesichtet werden. Weitere Daten werden auch in Göttingen noch mit Spannung erwartet.

Einige der spannendsten Daten stammen aus der Korona der Sonne. Eingefangen von gewaltigen Magnetfeldern strömt dort mehr als eine Million Grad Celsius heißes Plasma; immer wieder kommt es zu heftigen Teilchen- und Strahlungsausbrüchen. Zwei Instrumente von Solar Orbiter, zu denen das Göttinger MPS wesentliche Komponenten beigesteuert hat, bilden diese und andere Vorgänge in der Korona ab. Der Koronograph Metis verdeckt die Sonnenscheibe und macht so den äußeren Bereich der Korona sichtbar. Das Instrument SPICE spaltet das Licht aus der Korona in seine Wellenlängen auf und kann so etwa bestimmen, welche Elemente in welchem Bereich der Korona vorliegen. 

Dasselbe gilt für das Instrument EUI (Extreme Ultraviolet Imager), das die Korona im extrem kurzwelligen ultravioletten Licht mit Hilfe dreier Spiegelteleskope abbildet. Bei solch geringen Abständen von der Sonne wie beim Vorbeiflug liefert das Instrument aussagekräftige Daten nicht nur aus der unteren Korona, sondern bis zu einem Abstand, der sich mit dem Sichtfeld von Metis überschneidet. Auf diese Weise ergibt sich die einzigartige Möglichkeit, die Vorgänge in der Korona von der Sonnenoberfläche bis zu einem Abstand von drei Sonnenradien hochaufgelöst und ohne Unterbrechung zu beobachten. In diesem Bereich hat der Großteil der Sonnenaktivität ihren Ursprung. 

Die Aufnahmen von EUI, die in der Zeit um den Vorbeiflug gelangen, sind die höchstaufgelösten der Korona aller Zeiten. „Solar Orbiters Messdaten aus der Korona übertreffen alle bisherigen an Detailschärfe und werden helfen, die Strukturen und Vorgänge in der Korona besser zu verstehen“, so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am Göttinger MPS.

In den Aufnahmen vom 30. März etwa findet sich eine kuriose Struktur, von der in alle Richtungen strahlenförmig heiße Plasmaflüsse abgehen. Sie misst etwa 25.000 Kilometer im Durchmesser. „Ein derartiges Phänomen haben wir bisher noch nie gesehen. Es ist unklar, was dort genau vor sich geht und wie diese Struktur entsteht“, so der Göttinger Prof. Dr. Hardi Peter vom MPS, Mitglied des EUI-Teams. Zudem gelangen Aufnahmen der Südpolregion der Sonne. Die Pole der Sonne sind von der Erde kaum zu sehen.

Solares Feuerwerk

Einen genauen Blick werfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch auf das Feuerwerk aus Strahlung und Teilchen, das die Sonne in der Zeit um den Vorbeiflug bot. Die Instrumente fingen Hinweise auf einen Ausbruch energetischer Teilchen und drei Strahlungsausbrüche ein. Den Strahlungsausbruch vom 31. März haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der höchsten Kategorie, genannt X, zugeordnet. Ausbrüche dieser Vehemenz treten selbst in Phasen hoher Sonnenaktivität nur selten auf. Die Messdaten der abbildenden Instrumente können helfen aufzuspüren, wo diese Ausbrüche auf der Sonne ihren Ursprung und welche Prozesse sie ausgelöst haben. So zeigen sich etwa in EUI-Aufnahmen frühe Anzeichen des beobachteten Teilchenausbruchs.

Bereits im Oktober dieses Jahres soll Solar Orbiter der Sonne noch näherkommen. Dann werden Raumsonde und Stern nur noch 42 Millionen Kilometer trennen. Und in Göttingen wird die Spannung dann wieder steigen, wenn die Raumsonde neue Bilder und Messdaten nach Südniedersachsen sendet.