„Die Karawane darf nicht an Göttingen vorbeiziehen“
Jens Düwel heißt der neue Geschäftsführer der GWG.Im Interview spricht Düwel über Themen, die in Sachen Wirtschafts- und Stadtentwicklung angegangen werden sollen und betont, dass er zu einem Göttingen-Fan geworden ist.
Seine Leidenschaft für Stadtentwicklung hat Jens Düwel während des Studiums der Geographie, Politik und Publizistik in Hannover und Mainz entwickelt. Erste berufliche Erfahrungen sammelte der heute 57-jährige Hannoveraner in Greifswald. Es folgten weitere Stationen in Saarbrücken und Viersen, ehe sich die Stelle als Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen (GWG) ergab, die er seit dem 1. Dezember bekleidet.
Herr Düwel, wie hat sich die Übernahme des Postens von Frau Haufe gestaltet?
Der Übergang war weitestgehend geräuschlos, das war mir wichtig. Als Vorbereitung habe ich zudem lange Gespräche mit Frau Haufe geführt. Dieser Austausch hilft mir sehr, mich in meinen neuen Posten einzuarbeiten. Auf die Vielzahl an Akteur*innen, die sich in der Region im Bereich Wirtschaftsförderung bewegen, muss ich mich allerdings noch einstellen.
Ihre Arbeit als Geschäftsführer bei der GWG stellt Sie vor viele Herausforderungen. Woher bekommen Sie die Inspiration?
Für meine Arbeit benötige ich keine Inspiration, da reicht schon die Vielfältigkeit unserer Themen Wirtschaftsförderung und Projektentwicklung sowie Veranstaltungsmanagement. Die GWG hat mit spannenden Unternehmen aus vielen Branchen zu tun. Bin ich auf Städtereisen mit meiner Familie, lasse ich an den Zielorten immer mein professionelles Auge schweifen. Stadtentwicklungsthemen etwa werden in den Niederlanden mutig angepackt. Auch dann, wenn nicht immer ganz klar ist, wohin es führen wird. Von dieser Frische können wir uns etwas abschauen. Inspiration erhalte ich auch durch die Stadt. Ich bin zu einem Göttingen-Fan geworden.
Was nehmen Sie von Ihrem vorherigen Posten mit nach Göttingen?
In Nordrhein-Westfalen ist mir die Konkurrenz der Standorte aufgefallen. Dort gibt es viele Städte auf engem Raum, von denen sich jede am Markt positionieren und einen Zukunftsplan erstellen will. Die Konkurrenz der Standorte muss man auch in Göttingen sehr ernst nehmen und im Auge behalten.
Wie lauten Ihre Aufgaben und Ziele als Geschäftsführer der GWG?
Zunächst einmal gilt es, Verantwortung für die wirtschaftliche Stabilität der kommunalen Gesellschaft zu tragen. Das Unternehmen muss auf der Höhe der Zeit bleiben und für die Mitarbeitenden attraktiv sein. Unsere Themen sind im Haus sehr gut besetzt. Derzeit betrachte ich die offenen Flanken: Wo müssen wir uns mehr einbringen und wo zeigen sich vermeidbare Doppelstrukturen in der Region.
Gleichzeitig geht es bei der GWG auch um Stadtentwicklung.
Hier muss Göttingen aufgrund seiner Standortvorteile und Lebensqualität in allen innovativen Bereichen – Digitalisierung, Förderung von jungen Unternehmen, Bildung, soziale Gerechtigkeit – ganz vorne mit dabei sein. Gleichzeitig aber auch mutig sein, Projekte umzusetzen, die sich an anderen Stellen noch nicht bewährt haben. Das ist für mich eine Stadtentwicklung, wie ich sie mir vorstelle. Derzeit spüre ich eine gewisse Zurückhaltung – obwohl Göttingen weit über dem Durchschnitt aufgestellt und in einer super Situation ist.
Auch in Göttingen haben Unternehmen Schwierigkeiten beim Akquirieren von Fachkräften. Wie ist Ihre Sicht auf dieses Problem?
Im Mittelpunkt steht zunehmend eine vielfältige Arbeitsplatzstruktur. Denn die Menschen wollen hier nicht nur Arbeit finden, sie wollen hier auch leben. Der Kreislauf ist ganz simpel: Es gilt, Angebote zu schaffen, die Göttingen als Arbeitsstandort interessant und gleichzeitig die Stadt attraktiv machen. Hier muss sich auch die Universität weiter in Richtung Wirtschaft öffnen. Parallel zum Auftrag von Lehre und Forschung steht der Auftrag, die Studierenden in Arbeit zu bringen. Das sollte in Göttingen gut gelingen. Startups als Ausgründungen beispielsweise werden immer vielfältiger gefördert und wir stellen wichtige Kontakte zu Unternehmen her.
Ist der Blick in die Region wichtig, um Göttingen voranzubringen?
Das ist für mich selbstverständlich. Keine Stadt kommt voran, indem sie nur auf sich schaut. Als unangefochtenes Oberzentrum darf Göttingen den Blick nach außen also nicht verlieren, denn dort gibt es eine Menge Potenzial. Für uns als GWG ist eine Abstimmung mit den regionalen Akteur*innen wichtig, um die Position der Region Göttingen zu stärken und Initiativen und Ansprüche zu honorieren.
Welche Themen liegen für Sie aktuell an?
Ein primäres und für Göttingen wichtiges Thema ist Flächenbedarf. Ich bin davon überzeugt, dass Göttingen aufgrund seiner Potenziale hinsichtlich Wohnen, Erholung und Gewerbe wachsen muss. Pauschal zu sagen, es gebe keinen Flächenverbrauch mehr in Göttingen, wäre auch für die nachfolgenden Generationen fatal. Im Ergebnis würde die Karawane von innovativen Unternehmen, Fachkräften und zukunftsfähigen Entwicklungen an Göttingen vorbeiziehen. Hier muss die Politik im Sinne einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Entwicklung Flächen freigeben. Wenn eine Stadt erfolgreich bleiben soll, muss sie – bei aller berechtigten Sparsamkeit beim Flächenverbrauch – wachsen können. Das geht nicht nur im Bestand.
Interview: Markus Hartwig