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„Ein Bäcker kann auch nicht ohne Mehl backen!“

Im Gespräch mit Thomas Kavan / Kita St. Godehardt II in Göttingen

Kinderbetreuung ist sein Handwerk, die Pandemie und das neue niedersächsische Kita-Gesetz gehören zu seinen Herausforderungen: Thomas Kavan leitet die katholische Kindertagesstätte ­­St. Godehardt II mit 14 pädagogischen Mitarbeitenden in einer Krippengruppe, einer Integrations- und zwei Regelkindergartengruppen. Täglich besuchen 76 Kinder zwischen 0 und 6 Jahren die Einrichtung auf dem Holtensener Berg in Göttingen.

 

meineRegion: Herr Kavan, wie hat sich die Arbeit in IhrerKita verändert? Welche Auswirkungen durch die Pandemie beobachten Sie bei den Kindern?

Viele Erzieher sind verunsichert. Dabei schwingt die Angst mit, Fehler zu machen. Niemand möchte verantwortlich sein für Infektionsketten oder coronabedingte Schließungen. Oft kommen Kollegen zu mir und brauchen Rat, wie sie mit gewissen Situationen umgehen sollen. Schwierig ist auch, den Kindern altersgerecht Abstandsregeln zu vermitteln. Im Sommer durften sie sich offen bewegen, mit Freunden aus anderen Gruppen spielen. All‘ das ist nicht mehr möglich, für Kinder eine große Belastung. Kinder lernen viel durch stabile Beziehungen. Die werden immer unterbrochen, wenn der Freund oder die Freundin in einer anderen Gruppe ist. Alle, die einmal verliebt waren und von ihrer Liebe längere Zeit getrennt wurden, kennen dieses Gefühl.

meineRegion: Welche besonderen Herausforderungen mussten Sie meistern?

Ich muss Hygienekonzepte erstellen, Tests verteilen, Impftermine koordinieren, über neue Maßnahmen informieren. In dieser Flut an Mehrarbeit, soll die Mitmenschlichkeit nicht zu kurz kommen. Auch ein Team muss gehört werden und Sorgen und Nöte mitteilen dürfen. Es ist wichtig, zu motivieren, Danke zu sagen, mal nachzufragen, wie es anderen geht. Unsere Kita ist ein Raum der Begegnung. Sowohl zu allen Kindern als auch zu den Kollegen ist eine persönliche Beziehung wichtig. Nur so kann pädagogisches Handeln vertieft und verinnerlicht werden. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der sich durch das neue Kita-Gesetz seit Sommer 2021 verstärkt hat. Wir mussten Betreuungszeiten reduzieren, weil mehr Fachkräfte gleichzeitig anwesend sein müssen. Das gefällt weder uns noch den Eltern.

meineRegion: Wie gestaltet sich die Elternarbeit derzeit?

Schwierig. Elternabende, Gespräche und Feste können nur unter strengen Vorschriften stattfinden, manches fällt aus.
 
meineRegion: Was wünschen Sie sich seitens der Verantwortlichen in der Politik?

Es ist traurig, dass wenig über Kitas gesprochen wird. Es braucht attraktivere Ausbildungsbedingungen und ein höheres Maß an Wertschätzung. Wir lieben die Arbeit mit den uns anvertrauten Kinder. Während der Notbetreuung hieß es, wir sollten unseren Bildungsauftrag nicht vergessen. Ich betrachte das als Hohn. Insbesondere wenn man sich die zahlreichen Rahmenhygienepläne des Landes Niedersachsen anschaut. Demnach soll in bestimmten Szenarien nicht gesungen werden. Auch Bewegungsaktivitäten sollen vermieden werden. Auf Mindestabstände ist zu achten. Wer klar denken kann, weiß, dass so etwas in Kitas kaum umzusetzen ist. Kinder müssen getröstet werden, brauchen Bewegung und das Singen ist von großer Bedeutung. Ein Bäcker kann auch nicht ohne Mehl backen!