Werbung
Artikelfoto Karolina Hix

„Ein zweites Zuhause für Kinder, die nicht so viel Glück hatten“

Second Home UG in Bad Sooden-Allendorf

Die Wohngruppe „Second Home“ in Bad Sooden-Allendorf besteht seit über 5 Jahren. Sie wurde ursprünglich aus dem Bedarf an Betreuung für unbegleitete Flüchtlinge gegründet und dem Wunsch, ihnen ein „zweites Zuhause“ zu schaffen. „Seitdem haben wir uns beständig weiterentwickelt und sind nun eine intensive heilpädagogisch-therapeutische Wohngruppe für Kinder und Jugendliche“, erklärt Geschäftsführerin Karolina Hix. Momentan leben hier 8 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren. Jetzt wurde aufgrund des erhöhten Bedarfs ein weiteres Haus erworben, das in den kommenden Monaten renoviert werden soll, um weiteren Kindern ein Zuhause zu geben. Wir trafen Karolina Hix zum Interview:

 

meinWMK: Second Home ist ein privater Jugendhilfeträger und Sie haben nun ein zweites Haus zur Unterbringung von Jugendlichen erworben. Wie sind die nächsten Schritte? Was muss noch getan werden, bis die ersten Kinder einziehen können?

Karolina Hix: Oh weh. Ehrlich gesagt muss dort noch sehr viel getan werden! Das Haus stand einige Zeit leer und befindet sich in einem schlechten Zustand. Damit sich alle dort wohlfühlen können, muss es beinahe von Grund auf saniert werden. Momentan prüfen wir gerade die Möglichkeiten einer energetischen Sanierung, um auch in dieser Hinsicht unserer Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen gerecht werden zu können.

Geplant ist, im Spätsommer fertig mit dem Umbau zu sein damit die ersten Bewohner*innen einziehen können. Bis dahin wird allerdings noch viel zu tun sein. Auch das notwendige Personal muss gefunden werden: Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeiter. Damit sind wir bereits jetzt beschäftigt, da das Team dort möglichst schon aufeinander eingespielt sein sollte.

meinWMK: Sie planen eine Wohngruppe, eine Inobhutnahme-Stelle und ein Projekt zur Verselbständigung. Was muss man sich unter den einzelnen Teilbereichen vorstellen?

Karolina Hix: Eine Wohngruppe kann man sich wie eine betreute Wohngemeinschaft vorstellen. Es sind rund um die Uhr Pädagogen und Therapeuten im Dienst, die tagsüber mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten – das reicht von speziellen Therapieangeboten und Einzelstunden über Kreativangebote, Erlebnispädagogik sowie einfach den normalen Alltag begleiten: Brotdosen vorbereiten, Frühstück machen, Hausaufgaben betreuen, ein offenes Ohr haben, in unserem Garten auf dem Trampolin mitspringen, Fußball spielen und mal ein Eis essen gehen. Ziel ist es, für alle Bewohner*innen ein verlässliches, strukturiertes und familiäres Umfeld zu schaffen in welchem sie sich entwickeln können und gleichzeitig ein normales Zuhause für Kinder, die dieses Glück in ihrem Leben leider nicht hatten.

Verselbständigung stellt einen Übergang zwischen der Wohngruppe und einem eigenständigen Erwachsenenleben dar. Die Verselbständigung ist für ältere Jugendliche und junge Erwachsene, die nach einiger Zeit in der Wohngruppe nicht zu ihren Familien zurückkehren können oder wollen, aber (noch) nicht selbständig leben können und noch etwas Unterstützung im Alltag wünschen und brauchen. In der Verselbständigung ist keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung mehr notwendig, es gibt aber eine Rufbereitschaft, an die man sich wenden kann und eine Unterstützung zu verlässlichen Zeiten.

Während Wohngruppe und Verselbständigung langfristig angelegt sind, ist die Inobhutnahme-Stelle eine temporäre Unterkunft in akuten Krisensituationen. Das kann sein, wenn Kinder aus ihren Familien genommen werden müssen oder diese aus unterschiedlichsten Gründen vorübergehend oder langfristig nicht in der Lage sind für ihre Kinder zu sorgen.

meinWMK: Wie ist Ihr persönlicher Werdegang und was bedeutet Ihnen die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen?

Karolina Hix: Für mich stellt die Vision, zumindest für einige Kinder, die weniger Glück im Leben hatten als andere, ein Zuhause zu schaffen ein großes Herzensprojekt dar. Ich bin jemand, die schnell entscheidet und Dinge anpackt. Deshalb war die Entscheidung zur Gründung von Second Home mehr aus dem Bauch und aus der Not der Kinder heraus entstanden, als aus einem langen ausgearbeiteten Plan heraus (lacht). Im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit bin ich Quereinsteigerin und bin zunächst durch „Learning-by-Doing“ mit meinen Aufgaben gewachsen und habe mich parallel weiter qualifiziert: durch ein berufsbegleitendes Studium „Soziale Arbeit“, eine Ausbildung zur Kinderschutzfachkraft und begleitende Fortbildungen im sozialen und rechtlichen Bereich. Aktuell bin ich in Ausbildung zur Traumatherapeutin. Durch meine jahrelange Arbeit mit traumatisierten Kindern ist das ein Bereich, in welchem ich den höchsten Bedarf sehe und wo ich meine Interessen und Fähigkeiten am besten entwickeln kann.

meinWMK: Was ist Ihr Wunsch für die Weiterentwicklung an Betreuungs- und Beratungsleitungen für Familien mit Kindern für Bad Sooden-Allendorf und den ganzen Kreis?

Karolina Hix: Mein größter Wunsch ist es, in einem Umfeld zu leben, in welchem gesehen wird, dass die Grenzen zwischen „guten“ und „schlechten“ Eltern sehr fließend sind. Wir alle sind Menschen und machen Fehler und jede/r handelt so gut wie er oder sie es in der jeweiligen Situation kann. Aus einem systemischen Blick heraus wünsche ich mir ein Umfeld, das eine Vielzahl von Angeboten schafft, welche die Eltern und Kinder in unterschiedlichen Bereichen und Lebenssituationen unterstützen und entlasten.

Eine solche Vielfalt an sowohl niederschwelligen als auch stationären Angeboten wünsche ich mir nicht nur in Bad Sooden-Allendorf, sondern auch im gesamten Werra-Meißner-Kreis und über die Kreisgrenzen hinaus. Ich bin ein Mensch, der gerne vernetzt und Menschen zusammen bringt. Meine Vision ist es, hier etwas beitragen zu können und auch in meinen Projekten eine Anbindung an das soziale Umfeld zu schaffen und Second Home noch weiter zu einem wichtigen Bestandteil in Bad Sooden-Allendorf und unserer Region zu machen.

Im Rahmen unserer spontanen Spendenaktion über unseren Förderverein konnte ich zuletzt wieder feststellen, dass uns das bereits zu einem guten Teil schon gelungen ist und wir waren alle durch die großherzige Spendenbereitschaft der Menschen tief gerührt. Am Ende sind wir anstatt mit einem Bus mit mehreren Bussen, Transportern und einem LKW gefahren, wie wir so viele Spenden erhielten!