Enkeltrick und Schockanrufe: So schützen Sie sich
Im Gespräch mit Marko Otte, Beauftragter für KriminalpräventionmeineRegion: Sehr geehrter Herr Otte, erzählen Sie uns von dem Projekt und wie es genau funktioniert?
Das Präventionsteam der Polizeiinspektion Göttingen beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem Thema „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen“. Hier spielen Betrugsstraftaten am Telefon eine besonders große Rolle. Enkeltrick und falsche Polizeibeamte sind für die meisten Menschen ein Begriff. Weniger die zurzeit leider immer wieder erfolgreichen Schockanrufe. Alle Modi Operandi haben gemeinsam, dass nicht viele Taten vollendet werden. Wenn jedoch eine Tat gelingt, bewegt sich der Schaden mindestens im fünfstelligen, manchmal im sechsstelligen Bereich.
Leider haben im Grunde genommen nur zwei Personen die Möglichkeit, ein potenzielles Opfer, das bereit ist das geforderte Geld zu übergeben, von eben dieser Geldübergabe abzubringen. Das sind, neben den in der Regel sehr gut geschulten Bankangestellten, die Taxifahrer. In einigen Fällen bestellen sogar die Täter das Taxi zu den Opfern, damit das Geld bequem von der Bank geholt werden kann. So kam die Idee auf, gemeinsam mit der Göttinger Funktaxi Zentrale, die Fahrgäste nach dem Motto „Mit uns fahren Sie sicher!“ im Taxi durch Aufkleber quasi in allerletzter Sekunde zu informieren. Durch einen aufmerksamen Taxifahrer, dem solche Straftaten ebenfalls bekannt sind, konnte innerhalb kürzester Zeit nach Einführung der Aufkleber bereits eine Tat mit einem Schaden im fünfstelligen Bereich verhindert werden.
Die Aufkleber werden auf die Rückseite der Kopfstützen geklebt, da die Fahrgäste, insbesondere in Zeiten der Pandemie, im Fond des Taxis sitzen. Auf den Aufklebern sind vier kurze Fragen im Zusammenhang mit der Fahrt zum Geldinstitut abgedruckt. Trifft nur eine der Fragen zu, so ist in der Regel von einem Betrug auszugehen.
In einem solchen Fall sollte die Fahrt gleich auf direktem Weg zur Polizei gehen.
meineRegion: Bei Enkeltrick, Schockanrufen und falschen Polizeibeamten haben es die Täter oftmals auf ältere Mitbürger*innen abgesehen. Fallen diese leichter auf solche Betrugsmaschen herein und wenn ja, warum?
Ältere Menschen haben Eigenschaften, die grundsätzlich positiv sind, sie aber auch für Betrüger besonders attraktiv machen. So wurden sie beispielsweise zur Sparsamkeit erzogen. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Ein Satz, den jeder ältere Mensch kennt. Bei jungen Leuten ist dieses Sprichwort hingegen kaum noch bekannt – ebenso wie die „hohe Kante“. Auch die anerzogene Hilfsbereitschaft ist bei Senioren*innen viel ausgeprägter. Wer schlechte Zeiten erlebt hat, hilft anderen Menschen eher. Gerade, wenn es um vermeintlich nahe Angehörige geht.
Wenn dann noch Einsamkeit und ein plötzlicher Anruf hinzukommen, bei dem man sogar helfen kann, dann liegt die Gefahr nahe, auf den Trick reinzufallen. Und ausnahmslos jedes Opfer hatte vorher behauptet: „Auf so etwas falle ich nicht rein!“
Und wir alle kennen doch Omas und Opas Satz: „Junge, wenn was ist, komm ruhig zu Oma und Opa. Wir helfen dir schon.“
meineRegion : Können Sie Opferzahlen oder einen finanziellen Gesamtschaden beziffern, der aufgrund diese Betrugsmaschen im letzten Jahr angefallen ist?
Es ist schwierig, einen genauen Gesamtschaden für diesen Bereich der Straftaten zu nennen. Wir gehen davon aus, dass etliche Opfer weder Polizei noch Angehörige informieren. Das Schamgefühl und die Angst ausgelacht oder gar ausgegrenzt oder entmündigt zu werden, sind sehr groß.
Im Bereich der Polizeiinspektion Göttingen wurden im Jahr 2020 gut 800 Fälle zur Anzeige gebracht, von denen 753 Taten im Versuchsstadium endeten. Bei vollendeten 53 Taten wurde Geld und Schmuck im Wert von ca. einer halben Million Euro erbeutet.
meineRegion: Seit wann sind Sie Beauftragter für Kriminalprävention in der Polizeiinspektion Göttingen und was sind Ihre Hauptaufgaben?
Ich übe diese Tätigkeit seit viereinhalb Jahren aus. Meine Aufgabe ist die sehr vielfältige Kriminalprävention für Erwachsene. Neben Themen wie Einbruchschutz, Diebstahl, Internet, Kriminalprävention im Städtebau, Amok und Sicherheit am Arbeitsplatz an Schulen und anderen Einrichtungen mit öffentlichem Personenverkehr ist gerade der Bereich der Betrugsstraftaten am Telefon mein Haupttätigkeitsfeld.
meineRegion: Gab es in den letzten Monaten einen Fall, der Sie besonderes erschüttert hat?
Mir liegen die älteren Menschen sehr am Herzen. Mich erschüttert jeder vollendete Fall, weil es häufig um die gesamten Ersparnisse der vorwiegend älteren Menschen geht und sie durch die Tat nicht selten traumatisiert werden.
Besonders betroffen hat mich ein Fall, der sich vor ca. drei Jahren ereignet hat. Hier wurde eine ältere Dame Opfer von Betrügern. Die Täter ergaunerten von der sehr hilfsbereiten Dame Geld in einem mittleren sechsstelligen Bereich. Eine wunderbare und sehr intelligente Dame, der ihre Hilfsbereitschaft und die äußerst professionelle Vorgehensweise der Täter zum Verhängnis wurde.
Sehr beschäftigte mich auch ein Fall von sog. „Romance-Scamming“, bei dem eine Frau selbst unter größten Anstrengungen nicht davon überzeugt werden konnte, dass sie ihr Geld nicht an die „große Liebe“ überwies, sondern an Betrüger im fernen Ausland.
meineRegion: Wie haben sich Betrugsmaschen im Blick auf die letzten Jahre verändert?
Nun, man könnte manchmal meinen, dass die Täter ebenfalls auf „Homeoffice“ umgestellt haben. Aber es ist natürlich auch sehr komfortabel, vom Telefon oder PC aus zu agieren, anstatt im persönlichen Kontakt mit dem Opfer. Zu Beginn der Pandemie kam es sehr vereinzelt zu Betrugsversuchen im Zusammenhang mit Corona. Hier wurde suggeriert, dass ein Angehöriger schwersterkrankt sei und ein Medikament eingeflogen werden müsse. Hierfür sei die Zahlung eines hohen Geldbetrages notwendig. Aktuell gibt es wieder Betrugsversuche in dieser Richtung. Die Anrufer sollen geschockt werden, um zur Zahlung bewegt zu werden. Das sind Schockanrufe.
Ebenso bei den aktuell zahlreichen Taten, bei denen eine vermeintlich Angehörige ins Telefon schreit: „Du musst mir helfen! Ich habe jemanden totgefahren! Hilf mir!“ Das Gespräch wird durch einen angeblichen Polizeibeamten übernommen, der von einem schweren Verkehrsunfall berichtet, der z.B. durch die Enkelin verursacht wurde. Eine schwerverletzte Person, die vermutlich versterben wird oder schon verstorben ist. Eine hohe Kaution wird fällig, damit die Enkelin nicht ins Gefängnis muss.
Zwanzigtausend Euro oder mehr müssen gezahlt werden. Die Zeit drängt. Ein angeblicher Staatsanwalt ruft kurze Zeit später ebenfalls an und verleiht der Forderung vehement Nachdruck. Wenn jetzt nicht gezahlt werde, sei das Gefängnis unausweichlich. Aber ein Mitarbeiter des Gerichtes kann vorbeikommen und das Geld für die Kaution abholen. Dann sei zumindest eine Freiheitsstrafe abgewendet.
Mit dieser perfiden Masche versuchen Telefonbetrüger seit Monaten, ahnungslose Opfer zur Zahlung von sehr hohen Geldbeträgen zu bewegen. Häufig geht es um die gesamten Ersparnisse. Im Fokus der Täter – Seniorinnen und Senioren.
meineRegion: Welche Tipps geben Sie allen Bürger*innen, um sich vor „Enkeltrick, Schockanrufen und falschen Polizeibeamten“ zu schützen?
Der wichtigste Tipp ist:
Ändern Sie Ihren Telefonbucheintrag! Sofort!
Alte deutsche Vornamen haben nichts mehr im Telefonbuch zu suchen. Dies sind, neben sehr kurzen Telefonnummern, die einzigen Anhaltspunkte der Täter, die auf lebensältere Menschen hindeuten. Immer mehr Menschen lassen ihren Eintrag ganz streichen. Andere schieben es vor sich her. Aber das muss unbedingt erledigt werden. Kinder oder Enkel*innen können sich hier um ihre Großeltern kümmern. Es ist an der Zeit! Die Änderung oder Löschung ist online oder persönlich in einer Filiale des Telefonanbieters möglich.
Weitere Tipps:
- Seien Sie misstrauisch! Misstrauen hat nichts mit Unhöflichkeit zu tun!
- Im deutschen Strafrecht gibt es keine Kaution!
- Fragen Sie bei Angehörigen oder bei Ihrer Polizeidienststelle nach!
- Machen Sie keine Angaben über Ihre Besitztümer!
- Übergeben Sie kein Geld oder andere Wertsachen an fremde Personen!
- Auch nicht an die Polizei!
- Melden Sie Vorfälle über den Notruf 110 an die Polizei!