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Artikelfoto Conrad

Erfolgsstory aus Göttingen

Weenderin Helga Lüdtke überrascht mit ihrem Buch über den Bubikopf

Mit ihrem Buch „Der Bubikopf - Männlicher Blick, weiblicher Eigensinn“ über einen „Haarschnitt mit revolutionärer Wirkung“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) hat die Göttingerin Helga Lüdtke (80) aus Weende einen echten Überraschungserfolg des Jahres 2021 gelandet. meineRegion Göttingen traf sich mit der Bibliothekarin und Autorin. Wo? Natürlich in einem Göttinger Friseursalon!

„Seit 1975 wohne ich in Göttingen-Weende und seitdem bin ich auch Stammkundin im Salon Lange“, erzählt Lüdtke. Damals wurde der Friseursalon gerade von Peter Rosenthal übernommen, der sie auch für das Kapitel über Schneidetechniken beraten hat. Das Thema „Bubikopf“ sei ein uraltes Interesse von ihr gewesen. 

Aber ein Buch darüber schreiben? Im Laufe der Zeit sei das Thema allerdings immer mehr gewachsen, vor drei Jahren stand die Entscheidung fest, es wird ein Buch. Es begann die Suche nach einem Verlag und „ich hatte das große Glück, mit dem renommierten Göttinger Wallstein-Verlag und Lektorin Ursula Kömen die perfekten Partner zu finden“, so die Autorin.
Entstanden ist das Bubikopf-Buch am heimischen Schreibtisch in Göttingen, die Idee dazu trieb sie schon lange an. Am Ende stand alles andere als nur ein Werk über die Geschichte einer Kurzhaarfrisur. „Es macht den Charme dieses gründlich recherchierten Buches aus, wie es ganz praktische Alltagsgeschichte mit Geschlechter-, Kultur- und Sozialgeschichte der Weimarer Republik verbindet“, so Julia Haungs (SWR) in ihrer Buchkritik.

Als der Bubikopf seinen Siegeszug antrat, war der Aufschrei in der Männerwelt groß.
Helga Lüdtke hat viele Beispiele zusammengetragen, wie sehr sich das Patriarchat angegriffen fühlte. Die „Berliner Illustrirte Zeitung“ warnte 1925 vor der „Vermännlichung der Frau“ und forderte: „Nun aber genug!“ Und „Der Stürmer“ ätzte gar, der weibliche Kurzhaarschnitt umrahme am Besten ein „jüdisches Frechgesicht“, der Slogan „Arisch ist der Zopf, jüdisch ist der Bubikopf“ ging um.
Auch die „Allgemeine Deutsche Friseur-Zeitung“ befand, der Bubikopf sei eine „Frisur für verlauste Russinnen, nicht aber für eine Dame“ und überhaupt ein „Unglück für unseren Beruf“. Dieser Widerstand der Friseur-Innung führte gar dazu, das der ein oder andere Friseur eine beglaubigte Ermächtigung vom Vater, Gatten oder Arbeitgeber verlangte, ehe er bei den Frauen die Schere zum Bubikopf ansetzte. „Heute, 100 Jahre später, höre ich oft immer noch den Spruch, kurze Haare seien doch nur was für alte Frauen und Lesben“, so Lüdtke.

Dennoch: „Die Definitionsmacht, was eine Frau ausmacht, wurde den Männern damals Stück für Stück genommen“, blickt Lüdtke zurück. Da es in den 20er Jahren nur wenige Damen-Friseure gab, griffen viele Frauen halt selbst zur Schere. Der Bubikopf war nicht mehr aufzuhalten und stand fortan als Zeichen für die Selbstbestimmtheit und Emanzipation der Frau.

„Ein gekonnter und schöner Stufenschnitt durch die Kulturgeschichte“, schreibt Marc Hoch (Süddeutsche Zeitung) über das Buch. Und Karsten Zimalla (Westzeit) ergänzt: „Etwas so vermeintlich Oberflächliches wie die Geschichte einer Frisur erhellt hier auch gesellschaftliche Machtstrukturen und Gewaltmechanismen.“
Der Erfolg des Buches lässt sich auch daraus ablesen, dass der Wallstein-Verlag bereits die 2. Auflage herausgegeben hat. Lutz Conrad

Helga Lüdtke: Der Bubikopf - Männlicher Blick, weiblicher Eigen-Sinn. Wallstein-Verlag, Göttingen 2021, 304 S., ISBN 978-3-8353-3954-5

 

Zur Person: Die Weenderin Helga Lüdtke wurde 1942 als Helga Müller in Barth/Vorpommern geboren, ist Bibliothekarin und Autorin und lebt seit 45 Jahren in Göttingen. Nach dem Abitur studierte Helga Lüdtke 1962 an der TH Hannover und von 1966 bis 1968 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Hauptfach Biologie. 

1963 bis 1966 absolvierte sie an der Berliner Bibliothekarschule eine Fachhochschulausbildung als Diplom-Bibliothekarin. Von 1968 bis 1975 leitete sie die Bibliothek am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen, von 1988 bis 2004 war sie als Lektorin im Bereich Bestandsmanagement Naturwissenschaften an der Stadtbücherei Frankfurt am Main tätig.

Von 1974 bis 2017 arbeitete die Göttingerin als Rezensentin. Sie war 1980, 1993, 1994 und 1996 Mitglied der Jury zum Deutschen Jugendliteraturpreis und von 2003 bis 2007 Lehrbeauftragte an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Sie forschte unter anderem zum Frauenberuf Bibliothekarin, zum Kinder- und Jugendsachbuch und zur Sozialgeschichte Öffentlicher Bibliotheken.

 

Der Bubikopf

„Der Bubikopf ist eine Kurzhaarfrisur für Frauen und Mädchen. Die Frisur ist eine Variante des Bobs. Monsieur Antoine (Antoni Cierplikowski, 1884–1976), ein polnischer, in Paris tätiger Friseur, schuf diesen Schnitt bereits 1909, der dann im Europa der 1920er Jahre sehr beliebt wurde. Sie war beeinflusst vom „Knabentyp“, dem Frauenbild der Zeit, und wurde schnell zur beliebtesten Haarmode“, heißt es bei Wikipedia. Und weiter: „Das Haar wurde etwa kinnlang und glatt, mit Pony oder Seitenscheitel, mit oder ohne Wellen getragen. Sonder formen wie der „Pagenschnitt“ und der „Etonschnitt“, am Hinterkopf kurz wie bei den Herren, waren der letzte Schrei. 1906 war die Dauerwelle erfunden worden und ließ neben dem glatten Bubikopf auch lockige Kurzhaarfrisuren in Mode kommen.“