Fast wie im Paradies...
- Von Lutz Conrad --
- 01.08.2022
Im vergangenem August begannen im Norden Göttingens aufwändige Maßnahmen zur
Renaturierung der Leine. Heute, ein Jahr nach dem Start des Projektes am Weender
Dragoneranger, sind die Ergebnisse gut sichtbar. MeineRegion Göttingen hat sich gemeinsam
mit Weendes Ortsbürgermeister Hans-Albert Ludolph und seiner Ortsratskollegin Marianne
Tönsmann-Rätzke (beide SPD) auf den Weg gemacht, um sich bei einem Spaziergang entlang
der neuen Leine ein Bild vor Ort zu machen. Fazit: Das Weender Naherholungsgebiet an der
Leineaue hat sich zu einem richtig kleinen Paradies entwickelt.
Lange, lange hat es gedauert, bis das Projekt in Angriff genommen wurde. Bereits im März des Jahres 2000 (!) hatte die SPD im Göttinger Kreistag einen entsprechenden Antrag gestellt: „Das Leinetal hat sich in den letzten Jahrzehnten besonders von der Stadtgrenze bis an die Grenze zum Landkreis Northeim in ein landwirtschaftlich monotones Gebiet verwandelt“, hieß es in dem Papier.
„Das Leinetal ist auch ein vom Verkehr außerordentllich belastetes Gebiet, durch das die Autobahn A7, die ICE-Trasse, die Bahn-Trasse und die Neue B3 führt“, hatte Tönsmann-Rätzke den Antrag schon damals begründet. Leine und Weende würden sich in dem Gebiet „in einem naturfernen Zustand befinden“, hieß es weiter. Zwar wurden im Stadtgebiet zum Beispiel hinter der Lokhalle erste Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt, doch die Weender mussten darauf über 20 Jahre warten.
Die Leine am Weender Dragoneranger präsentierte sich bisher als ein monotoner Wasserabfluss-Kanal. Die Ufer fielen steil ins Wasser, es gab wenig große Bäume, die die Ufer säumten und Verstecke für Fische im Wasser gab es gar nicht. Die Leine war in ihrer ökologischen Funktion stark negativ beeinträchtigt. Der Hochwasserschutz hatte absolute Priorität und die Gewässerbiologie hatte das Nachsehen. Als Konsequenz waren viele in und an der Leine natürlicherweise vorkommende Tier- und Pflanzenarten abgewandert oder ausgestorben.„Von ursprünglich 19 Fischarten waren nur noch fünf übrig geblieben“, so Tönsmann-Rätzke.
Eine Million Euro investiert, 200.000 Euro übernimmt die Stadt
Im Rahmen der Umsetzung der Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie hatten sich der Leineverband und die Stadt Göttingen zusammengeschlossen und haben nun mit Hilfe von Fördergeldern des Landes Niedersachsen und der EU in Höhe von insgesamt 800.000 Euro die Leine in einen möglichst naturnahen Zustand überführt. Die Maßnahmen auf einer Länge von 2.300 Metern zwischen den Brücken Autobahnzubringer und Eisenbahnstrecke nach Lenglern kosteten insgesamt eine Million Euro, die fehlenden 200.000 Euro steuerte die Stadt Göttingen als Besitzer der Flächen am Dragoneranger bei.
Durch gezielte Maßnahmen wie die Neuanlage eines Nebengerinnes sowie die Abgrabung von Oberboden sind nun Auenbereiche entstanden und die Gewässerstruktur ist deutlich verbessert worden. So können sich hier wieder Tiere und Pflanzen ansiedeln, die im oder am Gewässer leben. „Insgesamt wurden 11.000 Tonnen Steine und 29.000 Tonnen Erdmaterial entfernt, das entspricht in etwa 2.000 Lastwagen-Ladungen”, so die Rechnung von Friderike Kutz, Projektkoordinatorin beim Leineverband.
„Die Entfernung der vorhandenen Uferversteinungen befreit die Leine aus ihrem starren, kanalartigem Dasein. Durch das Einbringen von Strömungslenkern aus Totholz und Steinen wird in der Leine ab jetzt eine eigendynamische Bewegung initiiert, sodass neue Lebensräume auf natürliche Weise geschaffen werden“, fasst Leineverband-Geschäftsführer Jens Schatz zusammen. Durch diese Strömungslenker soll zum einen die zum Teil hohe Fließgeschwindigkeit der Leine gebremst werden, um Laichplätze langfristig freizuhalten, unter Totholz können zudem wertvolle Fischunterstände geschaffen werden.
Erlen entlang der Ufers
Direkt am Ufer der Leine wurden Erlen gepflanzt, da diese durch ihr Wurzelwerk ideal als Erosionsschutz und Beschattung zugleich dienen. Auch das Landschaftsbild der Leineaue soll dadurch verbessert werden.
„Die Leineaue ist für uns Weender als Naherholungsgebiet unverzichtbar. Die Renaturierungsmaßnahmen zeigen jetzt erste sichtbare Wirkung und ich bin mir sicher, das sich hier in Zukunft ein kleines Paradies entwickeln wird und zum Teil schon entwickelt hat. Ob Radfahrer, Spaziergänger, Paddler und Kanuten oder Naturfreunde, alle werden hier in Zukunft Entspannung und Erlebnis gleichermaßen finden“, freut sich Ortsbürgermeister Ludolph.