Göttingen vor 4000 Jahren
- Von Markus Hartwig --
- 13.06.2022
Archäologische Grabungen, die derzeit zwischen Groß Ellershausen und der Autobahn durchgeführt werden, haben Spannendes hervorgebracht: Hier hatten sich vor mehr als 4000 Jahren Menschen auf Göttinger Stadtgebiet niedergelassen. Im Rahmen des Baus des unterirdischen Teils der Starkstromtrasse Wahle-Mecklar traten hier Spuren von Häusern und einer Grabstätte der Jungsteinzeit zutage.
Erst die Archäologie, dann die Kabel
Ende März begannen die Tiefbauarbeiten an der 5,5 Kilometer langen Erdkabeltrasse zwischen Hetjershausen und Olenhusen. Sie ist Teil der insgesamt 230 Kilometer umfassenden 380.000-Volt-Neubauleitung Wahle-Mecklar. Bereits vor Beginn der Arbeiten habe man abgesprochen, vor dem Verlegen der Leitungen archäologische Untersuchungen an dieser Stelle vorzunehmen. Dass man mit Funden im Lößlehmboden dieser Region gerechnet hatte, bestätigten Stadtarchäologin Betty Arndt und Maik Lindemann als Fachbereichsleiter Planung, Bauordnung und Vermessung.
Verfärbungen im Boden und Keramikfunde
Verfärbungen im Boden verraten, dass an dieser Stelle Häuser errichtet waren. Konkret fanden die Archäologen unter der Leitung von Sabine Stoffner hier Spuren von zwei „mehrperiodisch“ errichteten größeren Häusern sowie Scherben von Gefäßen, aufgrund derer die Funde in die Glockenbecherkultur zu verorten seien. Der Ursprung dieser Bezeichnung liegt in der Form der Gefäße, so Stadtarchäologin Betty, die bei der Identifizierung der Artefakte keine Unsicherheiten zeigt. „Keramikfunde helfen uns bei der Datierung. Finden wir solche Spuren, fühlen wir uns sicherer“, so Betty Arndt, die von einer „lehrbuchartigen Lage der Fundstelle mit guten Lebensbedingungen“ spricht.
Frauen mit dem Kopf nach Süden bestattet
An einer weiteren Stelle des Grabungsgebietes stießen die Archäologen nahe der Häuser auf die Überreste eines Bestattungsplatzes. Knochen hatten die Archäologen nicht gefunden. Was sie aber entdeckten, das sind Verfärbungen, die ein Körper im Lößboden hinterlässt. Es zeigte sich anhand der Lage des Körpers, dass es sich um eine Frau handelt. Denn Frauen, so Arndt, seien meist mit dem Kopf nach Süden, Männer mit dem Kopf in Richtung Norden bestattet worden.
Stromleitung soll 2024 in Betrieb gehen
20 Kilometer der insgesamt 230 Kilometer langen Stromtrasse Wahle-Mecklar verlaufen im Erdreich in einer Tiefe von 1,6 Meter. 5,5 dieser 20 Kilometer liegen zwischen Hetjershausen und Olenhusen. Die gesamte Trasse Wahle-Mecklar hatte ihren Baubeginn 2017 und soll 2024 ans Netz gehen. Nach umfangreichen Bauvorbereitungen – dazu zählt auch die archäologische Untersuchung der Trasse, das Errichten von Baustraßen und das Einrichten der Baustelle – erfolgt der für Göttingen interessante Erdkabelbau. Dieser besteht aus Bohrungen in etwa 50 Meter breiten Kabelbaustellen.
Zum Erhalt der Bodenfunktion werden die Bodenschichten in jedem Arbeitsgang voneinander getrennt. Der Kabelgraben schließlich besteht aus nebeneinander liegenden Leerrohren, durch die nach Rückverfüllung die eigentlichen Kabel gezogen werden.
Die 230 Kilometer lange Verbindung erhöht die Übertragungskapazität für Windenergie in der Nord-Süd-Achse und soll in Zukunft die Versorgungssicherheit und Netzstabilität in Niedersachsen und Nordhessen gewährleisten.