Hilfsgüter hin – Flüchtlinge mit zurück
Ein Erfahrungsbericht von Tanja Apel-Kreger„Durch Stephan Morth (Fa. Movimento Orthopädie & Rehatechnik GmbH Kassel) kam der Stein ins Rollen. Er suchte einen Bus, um Hilfsgüter zur Grenze der Ukraine zu liefern und gleichzeitig Flüchtlinge mit nach Deutschland zu nehmen. Wir sagten zu. Aber gleichzeitig sorgten wir und unser zweiter Busfahrer dafür, dass wir für die Reise Spenden erhalten würden. Etliche Firmen sagten uns Diesel-, Lebensmittel-, Getränke- und Hygieneartikelspenden zu. Auch unser Spendenaufruf in den Sozialen Medien war erfolgreich. Wir waren zutiefst berührt von der Spendenbereitschaft unserer Kunden, Freunden und Bekannten. Das war der Wahnsinn, was sich innerhalb von vier Tagen bei uns angesammelt hat. Ein dritter Busfahrer war innerhalb der befreundeten Busunternehmern schnell gefunden. Auch die Unterbringung der Flüchtlinge, falls jemand in unsere Heimat wollte, war schnell geklärt. Somit fuhren wir ohne Auftrag von Stephan Morth, aber mit einer großzügigen Spende von ihm nach Mlyny/Korczowa an die polnisch-ukrainische Grenze.
Wir waren unsicher, was uns dort erwarten würde, zumal das Wetter sich, je näher wir der Grenze kamen, verschlechterte. Es schneite und es war bitterkalt. Man mag sich nicht ausmalen, wie es den Müttern mit kleinen Kindern an der Grenze, wo sie zumeist stundenlang ausharren mussten, bei diesem Wetter erging.
Beim Eintreten in die große Blechhalle waren wir alle sehr ergriffen, als wir diese vielen Menschen (geschätzt 3.000) auf engstem Raum auf ihren Campingliegen gesehen haben. Der Anblick der vielen Kinder hat uns emotional sehr umgehauen. Wir meldeten uns beim Orga-Team an und wir bekamen Hilfe von der polnischen Armee, um unseren vollen Bus von den Hilfsgütern zu befreien, damit so schnell wie möglich Geflüchtete in unserem warmen Bus (auf den Sitzen haben wir extra Decken ausgelegt) Platz nehmen konnten. Wir waren von der Organisation und der raschen Hilfe der ehrenamtlichen Helfer vor Ort sehr beeindruckt. Sie leisten Unglaubliches dort!
Das Ziel unserer ukrainischen Reisegäste (38 Personen, ein Hund und eine Katze) war der Bahnhof in Dresden. Ehrlich gesagt, hatte ich Angst vor den Tränen der Geflüchteten, angesichts der tragischen Bilder, die momentan die Berichterstattung bestimmen. Aber es kam ganz anders. Es war eine totale Stille im Bus, alle waren wir versteinert. Keiner wollte den warmen Mantel ausziehen und die Taschen auf dem Schoß wurden mit beiden Armen festgehalten. Die Angst war sprichwörtlich im Bus zu spüren. Als müssten sie jederzeit bereit sein, wegzulaufen. Jegliches Sicherheitsgefühl war vom Krieg wie weggewischt. Es nahm niemand unsere Getränke- und Speisen-Angebote wahr und auch die Kinder saßen mit leerem Blick auf ihren Sitzen. Zwei Stunden, nachdem die Kinder und viele Erwachsene erschöpft eingeschlafen waren, tauten Sie auf und wir konnten mit unseren Leckereien, Getränken und Spielsachen das ein oder andere Lächeln erhaschen. Kurz vor Ankunft haben wir die Heilsarmee in Dresden informiert, dass wir für unsere Gäste eine warme Nachtunterkunft brauchten. Die Geflüchteten konnten somit am nächsten Morgen ihre Zugreisen nach München, Nürnberg, Köln usw. ausgeruht antreten.
Nach 10 Stunden Fahrt in Dresden angekommen, wurden wir von dankbaren Ukrainern und Ukrainerinnen herzlichst umarmt. Eine Geste, die mehr als 1.000 Worte sagen konnten.“ (Tanja Apel-Kreger)