Hohe Inflation belastet die Menschen und die Familien
Seit 16 Jahren ist Wilhelm Gebhard Wanfrieds Bürgermeister. Was ihn und die BürgerInnen des 4.200 EinwohnerInnen umfassenden Städtchens in diesem Jahr bewegt hat, verrät er im Interview mit unserem Magazin.Herr Gebhard, wie würden Sie das Jahr 2023 für Wanfried in wenigen Worten zusammenfassen?
Auch das Jahr 2023 war in jeder Hinsicht arbeitsreich und herausfordernd, zudem mit Höhen und Tiefen verbunden. Insgesamt würde ich es als sehr durchwachsen bezeichnen. Welche besonderen Herausforderungen musste die Stadt dieses Jahr bewältigen und wie sind Sie damit umgegangen?
Das Aufgabenspektrum, die Komplexität der Aufgaben, die erdrückende Bürokratie und die Projektvielfalt nehmen Jahr für Jahr zu. Und das in einer Zeit, in denen Fachkräfte fehlen und Personalfluktuation zu beklagen ist. Dazu die Inflation, die natürlich auch die Kommunen betrifft und belastet. Gleichzeitig steigen die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger und das allgemeine Anspruchsdenken nimmt zu. Diesem Gegensatz gerecht zu werden, ist kaum noch zu schaffen. Dennoch haben wir von Seiten der Stadtverwaltung stets versucht, alles zu meistern.
Gab es besondere Höhepunkte oder Erfolgsgeschichten in Wanfried im Jahr 2023, auf die Sie besonders stolz sind?
Zunächst einmal muss man glücklich feststellen, dass das Jahr 2023 nach Corona wirklich das erste war, in dem eigentlich fast alle Veranstaltungen wieder uneingeschränkt ausgerichtet werden konnten, die wir aus der Zeit vor Corona kennen. Das Jahr 2023 war deshalb schon anders und lebendiger als die Vorjahre. Den Vereinen und Verbänden bin ich sehr dankbar, dass sie das kulturelle und gesellschaftliche Leben wieder aufgenommen haben. Mit Wolfgang Bosbach hatten wir einen namhaften und geschätzten Bundespolitiker und mit Boris Rhein unseren Ministerpräsidenten zu Gast, unsere Freunde aus unseren Partnergemeinden in Frankreich waren endlich wieder zu Besuch im Werratal, die Fußballer des VfL Wanfried feierten die Meisterschaft in der Kreisoberliga und damit den Aufstieg in die Gruppenliga. Knapp 700 ehemalige Wanfriederinnen und Wanfrieder, die in der ganzen Welt zuhause sind, haben erneut Post aus der alten Heimat erhalten, nach 25 Jahren haben wir Uwe Roth als Symbolfigur der Stadt Wanfried verabschiedet und Sohn Christian in die Nachfolge als Brombeermann eingeführt. Zudem haben wir erstmals ein Straßenfest in der Marktstraße und einen Anerkennungsabend für unsere Feuerwehren organisiert und gefeiert und unser Wahrzeichen, der Plesseturm, konnte nach grundhafter Sanierung, die wir dem eigens dafür gegründeten Förderverein zu verdanken haben, wiedereröffnet werden. Persönlich durfte ich nach 18 Jahren den Vereinsvorsitz des größten Vereins (VfL Wanfried) in neue Hände geben und habe die Kampagne „Sauberhaftes Wanfried“ ins Leben gerufen, zu der ich zahlreiche Mitbürgerinnen und Mitbürger zum Mitmachen motivieren konnte.
Welche Projekte oder Initiativen wurden 2023 gestartet und welche konnten erfolgreich abgeschlossen werden?
In 2023 haben wir den flächendeckenden Glasfaserausbau in Wanfried und in den Stadtteilen erfolgreich begleiten können, der die Stadtverwaltung durch die zahlreichen Eingriffe in den Straßenverkehr erheblich gefordert hat. Der Ausbau ist jetzt weitestgehend fertiggestellt. Auch haben wir den barrierefreien Bushaltestellausbau in Altenburschla und Heldra abgeschlossen. Darüber hinaus hat die Stadt Wanfried weiter in den Brandschutz investiert. In den Stadtteilen Aue und Völkershausen konnten zwei neue Fahrzeughallen für die Feuerwehren angebaut, eingeweiht und an die Einsatzabteilungen übergeben werden. In Völkershausen hat der Straßenendausbau im Neubaugebiet „Vor dem Asbach“ stattgefunden. Zudem wurde ein Verkehrsversuch in der Wanfrieder Marktstraße durchgeführt. Ziel ist eine Verkehrsberuhigung und gleichzeitig eine Steigerung der Attraktivität der Wanfrieder Innenstadt.
Wie hat sich die wirtschaftliche Situation der Stadt im Laufe des Jahres entwickelt? Gibt es Bereiche, in denen Sie besondere Fortschritte sehen?
Mit Blick auf die allgemeine Entwicklung und die wirtschaftliche Gesamtlage in Deutschland ist die Stadt Wanfried insgesamt zufrieden. Die wirtschaftliche Situation in den Firmen, Betrieben und im Handwerk scheint weitestgehend stabil zu sein. Die Gewerbesteuer ist weiter auf einem hohen Niveau und die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Wohn- und am Arbeitsort Wanfried ist in den vergangenen Jahren zwar langsam, aber kontinuierlich angestiegen. Vom flächendeckenden Glasfaserausbau versprechen wir uns neue Impulse, sobald das Netz im Frühjahr 2024 in Betrieb geht.
Welche Pläne und Ziele hat die Stadtverwaltung für das Jahr 2024? Gibt es bereits konkrete Projekte oder Initiativen, die Sie vorstellen können?
Das Jahr 2024 wird spannend. Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden und die des Landkreises wird deutlich schlechter. Das Jahr 2024 ist als Brückenjahr zu betrachten. Vieles wird noch aus vorhandenen Liquiditätsreserven zu finanzieren sein. In 2025 wird sich dann mit heutigem Kenntnisstand eine nochmalige Verschlechterung der Situation einstellen. Grund genug, sich schon jetzt intensive Gedanken zur Haushaltskonsolidierung zu machen. Wir freuen uns über den Umzug der Grundschule in den neuen und modernen Schulcampus, über den Baustart des Projekts der Sparda Bank Hessen, die aus einem alten Fachwerkhof einen Begegnungs- und Kulturort mit barrierefreiem Wohnraum im Herzen der Stadt schaffen wird. Der Verkehrsversuch in der Marktstraße soll in Verbindung mit der Bürgerschaft zu einem guten Ende gebracht und dabei eine größtmögliche Akzeptanz erreicht werden. Und die Stadt Wanfried wird voraussichtlich erneut über 1.000.000 € in Pflicht- und Zukunftsaufgaben investieren müssen. Sie sehen, es bleibt spannend und arbeitsreich.
Zum Abschluss: Was möchten Sie den Bürgern von Wanfried für das kommende Jahr mit auf den Weg geben?
Es ist für mich als Bürgermeister deutlich zu spüren, dass sich in der Gesellschaft etwas verändert – leider nicht zum Positiven. Die Menschen (und damit meine ich nicht alle pauschal, aber viele) werden ungeduldiger, ungehaltener, teilweise auch aggressiver. Am unteren Ende unseres demokratischen Staatsaufbaus entlädt sich scheinbar die allgemeine Verärgerung und die spürbare Verunsicherung. Die hohe Inflation belastet die Menschen und die Familien, dazu die täglichen Meldungen über sinkende Wirtschaftskennzahlen, die Bilder von Krieg, Flucht und Vertreibung, die auch an Deutschland nicht vorbeigeht. Ich wünsche mir wieder mehr Miteinander und weniger Gegeneinander, besonders hier vor Ort. Die Stadtverwaltung ist der Teil unserer Gemeinschaft und nicht der Prellbock für private Probleme. Dazu möchte ich weiterhin meinen Beitrag leisten, konstruktiv und sachlich.