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Artikelfoto Lenja Kempf

„Im Elternhaus kann ich meine Ritterrüstung ablegen“

Geschenkaktion Lichtblick / „Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen e.V.“

Man kann nur erahnen, welche Tage voller Sorge und Angst, wie viele Nächte ohne Schlaf Eltern durchleben, deren Kind schwer erkrankt ist und über Wochen stationär, intensivmedi-
zinisch behandelt werden muss. In dieser Zeit möchte man fürsorglich, in direkter Nähe zum kleinen Patienten sein und möglichst viele Stunden gemeinsam verbringen. 

 

Das Göttinger Elternhaus, 1988 gebaut, bietet hier ein „Zuhause auf Zeit“, wie Dagmar Hildebrandt-Linne erklärt. Die Geschäftsführerin des „Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen e.V.“ kann sich noch gut an die Entstehungsgeschichte erinnern: „Eltern von damals an Krebs erkrankten Kindern, die in der UMG behandelt wurden, initiierten den Hausbau mit Gründung des Vereins und Hilfe zahlreicher Spenden. Das Grundstück mit Erbpachtrecht wurde vom Land Niedersachsen zur Verfügung gestellt.“ Unvorstellbar sei für viele Betroffene damals gewesen, dass der Kinderklinik-Neubau ohne die Einrichtung von Elternzimmern geplant wurde. Dabei „ist es so wichtig, dass Familien in der schweren Zeit zusammenbleiben können.“  Im Elternhaus wohnen Vater und Mutter, oft auch Geschwisterkinder, deren Kind frühgeboren oder mit einer schweren Erkrankung stationär in einer der Kinderkliniken der UMG behandelt wird, sei es eine Krebserkrankung, Herzerkrankung oder eine andere schwere Erkrankung. Großeltern, Angehörige  und Freunde dürfen zu Besuch kommen. Das „Zuhause auf Zeit“ sei für viele Familien mit einem schwer kranken Kind oftmals über Monate Anlaufstelle und Herberge, aber auch Gesprächs- und Rückzugsort in einem.“

Eine große Gemeinschaftsküche, Kinderspielzimmer, Wohnzimmer,  Billardtisch und Tischkicker sowie ein großer Garten mit zahlreichen Sitzgelegenheiten bieten den häuslichen Rahmen. Der Verein „Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen e.V.“ ist Träger des Hauses. Ein fest angestelltes psychosoziales Team bietet auf vielfältige Weise Krisenunterstützung für Familien, die sich das wünschen. Es berät, unterstützt und hat immer ein offenes Ohr. Auch nach der Erkrankung bieten die Fachkräfte weiterführende Begleitung, z.B. wenn Kinder nach einer Krebstherapie zum ersten Mal wieder in die Schule gehen. „Wir erleichtern dann den Start zurück ins Leben“, erklärt Hildebrandt-Linne. 

Aber es gibt auch herausfordernde Momente: Sie erinnert sich an die Familie einer kleinen Patientin: „Eine junge Familie kam mit einem vierjährigen Kind, das an einem Hirntumor erkrankt war. Es gab für die junge Patientin keine Therapie, keine Heilung. Also haben die Eltern das Kind wieder mit nach Hause genommen und mit Hilfe unseres psychosozialen Teams einen neuen Alltag auf Zeit organisiert. Sie haben mit den Erzieher*innen des Kindergartens gesprochen, haben einen Elternabend organisiert und schließlich auch gemeinsam mit der Einrichtung den Abschied vorbereitet.“

Hildebrandt-Linne ist seit 10 Jahren in dem Verein angestellt und  seit 2016 Geschäftsführerin im Elternhaus. Ihre ganz persönlichen Gründe, die sie für die Aufgabe sensibilisiert haben, beschreibt sie so: „Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, den Job zu wechseln und etwas im sozialen Bereich zu machen. Ich habe die Anzeige gelesen und gedacht: Das ist meins. Ich wollte eine sinnerfüllte Aufgabe übernehmen.“ Natürlich sei ihre Arbeit geprägt von ernsten Themen aber: „Ich bin sehr optimistisch, sehr zuversichtlich. Und hier im Elternhaus findet auch viel Fröhlichkeit und Lebendigkeit statt.“ Die Schwere laste eh auf den Schultern der Betroffenen und man müsse immer wieder akzeptieren, „dass wir die Entscheidung über Leben, Krankheit und manchmal auch Tod nicht in der Hand haben.“ 
„Aber ich kann dazu beitragen, dass die Familien in dieser Zeit gut begleitet werden. Wir schaffen besondere Momente: das ist sehr erfüllend und man empfindet Dankbarkeit für sein eigenes Leben, seine eigenen Kinder.“ Demütig sei sie hier geworden und ihr Blick wurde für das geschärft, was eigentlich wichtig im Leben sei. Bei diesen Worten erinnert sie sich an einen Vater, dessen krebskrankes Kind ebenfalls in der UMG behandelt wurde. „Er erzählte mir, wie er noch wenige Tage vor der Diagnose seines Sohnes über Urlaub und ein neues Auto nachdachte. Und dann änderte sich von einer Minute auf die nächste alles: Er hatte nur noch einen Wunsch – sein Sohn solle dieses Jahr mit der Familie zuhause Weihnachten feiern.“

Immer wieder müsse sie in ihrem Beruf akzeptieren, dass man vieles im Leben steuern kann. Nur die Entscheidung über Gesundheit und Krankheit eben nicht. Und genau aus dieser Ohnmacht heraus, agieren die Mitarbeiter des Elternhauses. Hier wird betroffenen Familien in schweren Zeiten, die nie vorhersehbar, nie planbar waren, ein Stück Geborgenheit geschenkt. 

„Eine Mutter sagte einmal, wenn ich das Elternhaus betrete, kann ich meine Ritterrüstung ablegen.“ Jeden Tag, über Wochen und Monate musste sie nach außen stark sein, kümmerte sich um ihr Kind, tröstete Verwandte und Freunde, organisierte sie Alltag und Lebensunterhalt. Um das zu schaffen und nicht am eigenen Schicksal zu zerbrechen, brauchte sie einen Panzer, eine Rüstung. Im Elternhaus durfte dann auch sie weinen, konnte Luft holen und Kraft tanken: die Rüstung ablegen.

Geschenkaktion Lichtblick
Auch in diesem Jahr findet die Aktion Lichtblick statt. Die Geschenke sollen Herzenswünsche schwerkranker Kinder und Jugendlicher sowie deren Geschwister, die im Elternhaus leben oder auf den Stationen der Kinderklinik der UMG versorgt werden, erfüllen. Sei es zu besonderen Festen wie z. B. Weihnachten, Geburtstagen oder in herausfordernden Krisensituationen.

Mit dem Kauf von kleinen Geschenken des Gabentisches oder auch Gutscheinen unterstützen die Kunden die regionalen Geschäfte und tun gleichzeitig etwas Gutes für schwerkranke Kinder und Jugendliche in und um Göttingen. Um auf die Bedürfnisse und Herzenswünsche der kleinen Patienten eingehen zu können, freuen sich die Mitarbeiter der „Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen e.V.“ besonders auch über die angebotenen Gutscheine, die über 5, 10 oder 20 Euro erworben werden können.