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Solidarischer Obstanbau in Witzenhausen

Auf robuste Sorten setzen und auf Pestizide verzichten

Ein Kollektiv von vier Menschen, die in Witzenhausen leben, haben die Obst-SoLaWiz gegründet. „Drei von uns studieren noch an der Uni Witzenhausen Agrarwissenschaften, eine ist fertig mit dem Studium. Wir alle interssieren uns für das Thema Streuobstwiesen und Obstbaumschnitt aus verschiedenen Gründen und unterschiedlich lang.“

Die Obst‐SoLaWiz (Solidarische Landwirtschaft) hat sich im Frühjahr 2020 gegründet. Die dritte Saison ging also gerade zu Ende und die vierte ist in Planung. Die Idee kam nach eigenen Aussagen recht spontan: „Zwei vom Kollektiv zogen auf eine Streuobstwiese mit über hundert Bäumen. Was tun mit dem ganzen Obst? Daraus ist dann ziemlich schnell die Idee der Obst‐SoLaWiz entstanden.“

Mein WMK: Der Solidarische Obstanbau braucht wahrscheinlich viele helfende Hände. Wie sehen Eure Arbeitstage in der Ernte‑ und Pflegezeit aus und wie organisiert Ihr Hilfe?

Obst SoLaWi: Mit steigender Mitgliederzahl ist natürlich auch der Arbeitsaufwand gestiegen. Dieses Jahr bieten wir für die Ernte zwei Anteile gegen Mitarbeit an, arbeiten aber sonst viel zu viert im Kollektiv, wobei wir je nach Arbeitsspitze, zum Beispiel bei der Kirschernte und Lagerobsternte, alle vier da sind oder auch nur zwei, wenn es weniger zu tun gibt. Wir laden aber auch zu Mit‐ machaktionen ein, zum Obstdörren, zum Obstsammeln für Saft und bei Pflanzaktionen.

Mein WMK: Welche Früchte/Baumsorten habt Ihr derzeit im Bestand und wer verpachtet die Flächen an Euch?

Obst‑SoLaWiz: Die meisten Flächen haben wir von Privatpersonen im Rahmen einer meist mündlichen Nutzungsvereinbarung, wo wir gegen Schnitt das Obst ernten können. Auch Apfelsaft ist manchmal ein Tauschgut. Wir sind aber auch gerade dabei, langfristigere Verträge auszuarbeiten, um auch Fördergelder beantragen zu können. Ansonsten bewirtschaften wir noch zwei Flächen von zwei Vereinen, wie zum Beispiel dem Ökologischen Schaugarten Urtica e.V. oder kooperieren mit verschiedenen Gemeinden der Region im Werra‐Meißner‐Kreis. Auf den Flächen haben wir überwiegend Süß‐ und Sauerkirschen, Zwetschgen und verschiedene Pflaumen, Äpfel, Birnen, Quitten, z.T. Wallnüsse.

Mein WMK: Welche Grundgedanken verbindet Ihr mit “solidarischer Landwirtschaft”?

Obst‑SoLaWiz: Das Ideal einer solidarischen Gemeinschaft, die einen landwirtschaftlichen Betrieb/Verein gemeinsam trägt, ist finanziell aber gern auch aktiv mitgestaltend. Somit wird das Risiko der landwirtschaftlichen Produktion gemeinsam getragen und Ausfälle gehen nicht zu Lasten der Anbauer:innen. Vorallem im extensiven Streuobstbau sind wir den Witterungsbedigungen stark ausgesetzt und durch einen Spätfrost kann uns ein großer Teil der Ernte verloren gehen. Durch unsere verschiedenen Standorte wirken wir diesem Risiko vor. Und durch eine Vielfalt an Obstsorten. Auch der Aufbau einer komplexen Vermarktungsstruktur entfällt, sodass der Fokus viel stärker auf Anbau und Pflege der Streuobst‐ wiesen liegen kann. Regionalität ist gewährleistet und uns ist es wichtig, dass eine Verbindung und ein Wissentransfer zwischen denen, die auf der Wiese stehen und denen, die das Obst verzehren, entsteht.

Mein WMK: Welche ökologischen Leitlinien prägen Eure Arbeit bei der Obst‑SoLaWiz?

Obst‑SoLaWiz: Uns ist es wichtig, vorhandene Streuobstwiesen in der Region zu erhalten und neue Hochstämme in die Landschaft zu pflanzen. Dauerkulturen in der Land(wirt)schaft sehen wir als zukunftsträchtiges Modell, um nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben, Artenreichtum zu fördern und so dem Klimawandel entgegen zu treten. Uns ist es wichtig, mit alten und robusten Sorten zu arbeiten und wir verzichten auf den Einsatz von Pestiziden. So beschäftigen wir uns auch mit der Kartierung und Sortenbestimmung der Flächen.

Mein WMK: Zu welchen Produkten verarbeitet Ihr das Obst?

Obst‑SoLaWiz: Jeden Oktober gibt es eine Mitmachaktion zum Äpfelsammeln, um daraus dann Saft für die Mitglieder zu pressen. Ansonsten haben wir dieses Jahr angefangen, in Kooperation mit der Uni Witzenhausen, Obst im Solardörrer zu trocknen, was wir gerne ausweiten wollen. Hierfür wären wir dann aber auf weitere Unterstützung durch die Mitglieder angewiesen. Toll wäre es, wenn Mitglieder Lust hätten eine Arbeitsgruppe zu dem Thema Verarbeitung zu gründen, das Einkochen zu Mus, Marmelade oder Kompott ist für uns zu zeitaufwändig, aber es wäre eine wunder‐ bare Ergänzung.

Mein WMK: Wie viele Mitglieder habt Ihr und wie ist der Ablauf, wenn man Anteile erwerben oder bei Euch mitarbeiten möchte?

Obst‑SoLaWiz: Derzeitig haben wir 61,5 Anteile auf sieben Abholräume verteilt. Wir sind immer auf Mitgliedersuche für die kommende Saison. Um Mitglied zu werden, muss eine Beitrittserklärung ausgefüllt werden, welche den solidarischen Wert für den monatlichen Beitrag enthält. Wir hatten gerade unsere Mitgliederversammlung, wo wir die Finanzplanung für die kommende Saison vorgestellt haben. Hier ergab sich ein Richtwert von 35 Euro pro Monat. Je nach Einkommen können Mitglieder unter‐ oder oberhalb des Wertes drei Gebote abgeben, sodass möglichst Vielen der Zugang zu dem Anteil ermöglicht wird. Interessierte Menschen können uns eine Mail an streuobst@riseup.net schreiben und wir schicken dann weitere Infos und die Beitrittserklärung.

 

SoLaWi

In der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die Erzeuger*innen als auch die Verbraucher*innen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft.

Solawi Kambium e.V. | streuobst@riseup.net | www.obstsolawiz.wordpress.com