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Artikelfoto Symbolbild Pixabay

Wiedereinwanderung von Wölfen wirkt nicht nur im Werra-Meißner-Kreis polarisierend

Fallstudie zeigt Handlungsbedarf für eine gelingende Koexistenz auf.

Der Fachbereich Landwirtschaft, Landschaftspflege, Natur- und Landschaftsschutz hat sich vertieft mit den Argumentationen beider Lager beschäftigt und zeigt, daraus abgeleitet, Handlungsbedarfe auf, um in Zukunft eine für die Weidetierhaltung tragbare Koexistenz zu ermöglichen.
Im Rahmen des Projekts „Schaf schafft Landschaft“ aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt, in dem die Universität Kassel, der Geo-Naturpark Frau-Holle-Land und der Werra-Meißner-Kreis zusammenarbeiten, wurde durch den Fachbereich Landwirtschaft, Landschaftspflege, Natur- und Landschaftsschutz eine Fallstudie zu den „Reaktionen der Weidewirtschaft und ihres Umfelds auf die Rückkehr des Wolfes“ erstellt.

Dazu wurden Akteure zu bestimmten Aspekten befragt. Interviewpartner waren weidetierhaltende Betriebe, Vertreterinnen der Naturschutzverbände und des Kreisbauernverbands sowie ein Vertreter der Wissenschaft, des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen und des Regierungspräsidiums Kassel.

Dabei zeigte sich, dass die wirtschaftliche Situation der weidetierhaltenden Betriebe von allen Interviewten als insgesamt prekär gesehen wird, mit überdurchschnittlicher Arbeitszeit bei geringem Erlös. Die staatlichen Förderungen werden als nicht ausreichend erachtet, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren.

Reaktionen auf die Rückkehr des Wolfes werden seit 2017 verstärkt wahrgenommen: Institutionen und Verbände teilen einen erhöhten Beratungs- und Diskussionsbedarf mit und auch in der Wissenschaft gerät das Thema immer stärker in den Fokus. Betriebe berichten davon, die Tiere häufiger zu kontrollieren und einen aufwendigeren Zaunbau zu betreiben. Sichtbar wurde in den Interviews auch eine Ablehnung des Wolfes bei gleichzeitiger Bereitschaft, eine Koexistenz mitzutragen, sofern es tragfähige Antworten aus der Förderpolitik gibt. Unter den Interviewten besteht Einigkeit darüber, dass die Situation auch mental für Weidetierhalter belastend ist.

Die gesellschaftliche Wahrnehmung des Konflikts zwischen der Rückkehr des Wolfes und der Weidetierhaltung wird ähnlich eingeschätzt, jedoch unterschiedlich bewertet: Große Teile der Bevölkerung begrüßten die Rückkehr des Wolfes bei gleichzeitig fehlender differenzierter Auseinandersetzung auf gesellschaftlicher Ebene, resultierend aus dem mangelnden Einblick in die Abläufe und Leistungen der Weidetierhaltung.

Die Antworten auf die Frage, was es für eine Koexistenz zwischen Wolf und Weidetierhaltung braucht, sind größtenteils sehr ähnlich. Gefordert werden zuverlässige und flächendeckende Herdenschutzmaßnahmen, die Entnahme „fehlkonditionierter“ Wölfe, finanzielle und personelle Unterstützung der Weidetierhaltung, verstärkte Forschung und Erprobung von Vergrämungsmethoden, Entbürokratisierung, Transparenz im Umgang mit Informationen zu Wolfsbestand und Rissgeschehen, Vereinfachung der Dokumentationspflichten sowie eine Stärkung der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Leistungen der Weidetierhaltung. Strittig sind Forderungen danach, den Wolf ins Jagdrecht mitaufzunehmen, eine Beweislastumkehr anzustreben oder eine objektivierte Risikobewertung seitens der Betriebe anzuregen.

Folgende Aussage einer interviewten Person bringt die Situation der Weidetierhaltung inmitten des Zielkonflikts im Artenschutz und die daraus abzuleitenden Konsequenzen anschaulich auf den Punkt: „Die Beweidung artenreicher Kulturökosysteme dient anderen Naturschutzzielen als es die Rückkehr des Wolfes tut – diese beiden Ziele werden zunehmend konfliktär und die Weidetierhaltung befindet sich inmitten dieses Konfliktes. Wenn die Gesellschaft beide Ziele will, dann muss sie auch in die Pflicht genommen werden.“

Aus der Auswertung der Interviews lassen sich Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten: die Rahmenbedingungen für die Weidetierhaltung im Allgemeinen und für eine Koexistenz zwischen Wolf und Weidetierhaltung im Speziellen müssen durch angemessene Fördersätze und zuverlässigen, flächendeckenden Herdenschutz so verbessert werden, dass sich eine wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit für die Betriebe einstellt. Auch muss bei Kommunikation und Beteiligung ein Fokus auf Transparenz gelegt werden, um zu mehr Vertrauen zwischen den Akteuren zu gelangen.

Der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Rainer Wallmann bekräftigt die Ergebnisse der Fallstudie und meint: „Eine auskömmliche wirtschaftliche Perspektive für die Betriebe ist die Grundvoraussetzung für eine gelingende Koexistenz zwischen Weidewirtschaft und Wolf.“

Die Langfassung der Fallstudie „Wolf und Weidewirtschaft“ steht unter www.schafland17.de/fallstudiewolf zum Download bereit.