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Artikelfoto Privat

„Wir brauchen jetzt dringend mobile Heizgeräte“

Wiershäuser Familie Roselieb hilft im Katastrophengebiet an der Ahr

Überflutung, Verwüstung, Chaos: Tobias Roselieb hat das Ausmaß der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal mit eigenen Augen gesehen. Gemeinsam mit seinem Sohn fuhr er drei Wochen nach den ersten Schreckensmeldungen nach Kreuzberg an der Ahr. Im Gepäck hatte der gelernte Landschaftsgärtner einen Radlader und einen geliehenen Bagger. „Wir haben die Nachrichten aufmerksam verfolgt, uns Internetvideos angesehen und beschlossen: Wir müssen helfen.“

Einige Telefonate später stand das Ziel fest. In Kreuzberg wurde ihre Hilfe dringend gebraucht. Nach knapp vierstündiger Fahrt passierten Vater und Sohn den zerstörten Ort. „Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird einem erst bewusst, wenn man die kilometerweite Verwüstung sieht. Die Bilder in den Medien sind schlimm, spiegeln aber nicht mal ansatzweise wider, was wir gesehen haben.“, so Roselieb. Weggespülte Häuser und Ruinen mit ausgehöhlten Fenstern standen fragmenthaft in den Schlamm- und Geröllmassen. Eine fünf Meter hohe Bahnstrecke war teilweise weggespült – der letzte Zug stand in greifbarer Nähe. „Hier wird in den nächsten Monaten kein Bahnverkehr mehr rollen“, resümiert der Wiershäuser.

Gänsehaut bekam er beim Anblick des Friedhofs. Auch dieser war in den Wassermassen versunken und bot nach den ersten Tagen des Abtrocknens ein Bild des Schreckens: „Die frischen Gräber waren alle ausgespült und leer.“ Nach eigenen Angaben traf er im Ort eine junge Frau, die dort erst wenige Wochen zuvor ihren Vater beigesetzt hatte. Nach dem schweren Verlust musste sie nun die Folgen der Flutkatastrophe verarbeiten. Das Schlimmste aber: Ihr Bruder, der übers Wochenende zu Besuch kam, war spurlos verschwunden. „Sie vermutete das Schlimmste. Neben denjenigen, die dem Hochwasser zum Opfer gefallen waren, gab es eine sehr hohe Suizidrate. Die Leute standen plötzlich vor dem Nichts. Für viele war das eine absolut aussichtslose Lage.“, erklärt Roselieb. Gemeinsam mit vielen freiwilligen Helfern machten sich die beiden Wiershäuser an die Arbeit: „Wir haben Keller ausgeräumt und mit unserem kleinen Bagger dort Schutt, Geröll und Schlamm beseitigt, wo die großen Geräte nicht hinkamen. In den Untergeschossen der stehen gebliebenen Häuser mussten wir uns durch 40 Zentimeter hohe Schlammmassen kämpfen.“ Aufgeplatzte Öltanks, Möbel, die flächendeckend mit grünem Pilz befallen waren und jede Menge Schwemmgut erschwerten die Aufräumarbeiten. „Alle arbeiteten Hand in Hand. Es war wie in einem großen Ameisenhaufen. Jeder packte an und unterstützte mit seinen Mitteln und Fähigkeiten. Es gab Leute, die brachten Essen, Bauern kamen mit Traktoren, andere halfen mit ihren bloßen Händen.“

In dem kleinen Ort Kreuzberg standen 196 Häuser. 162 von ihnen sind von den Wassermassen in Mitleidenschaft gezogen worden, einige waren weggespült, andere mussten wegen Einsturzgefahr abgerissen werden. „Es wird Jahre dauern bis dort wieder alles aufgebaut ist.“ Nach seinem ersten Besuch an der Ahr stand für die Landschaftsgärtner schnell fest: Wir müssen wiederkommen. Beim nächsten Einsatz kam auch Ehefrau Marion mit. Mit Hilfe des Hann. Mündener Vereins „Rock for tolerance“ startete die Familie einen Spendenaufruf über Facebook. Es wurde dringend jede Art von Werkzeug und Baumaterial benötigt.

„Wir bekamen innerhalb weniger Tage Flexmaschinen, Handkreissägen, Nägel, Schrauben, Dachlatten und vieles mehr.“ Mit zweieinhalb Tonnen Ladung fuhren die Roseliebs erneut nach Kreuzberg. Inzwischen war im Dorf ein Helferbüro errichtet worden. In einem provisorischen Zelt, mit kleinem Pappschild am Eingang, konnten sich Hilfsbedürftige und Helfende eintragen. Die Organisatoren brachten beide Parteien zusammen. Auf dem innerörtlichen Berg entstand ein Maschinenlager. Hier können sich bis heute Bewohner, Helfer und Handwerker Werkzeuge, die aus Spenden stammen, kostenfrei ausleihen. Zahlreiche Unterstützer reisten laut Roselieb aus ganz Deutschland an. „Wir schliefen alle in unseren Autos. Ein Helfer übernachtete sogar in seinem Radlader. Geduscht wurde in provisorischen Zelten. Mobile Dixie-Toiletten waren im ganzen Dorf verteilt.“ Viele Handwerker kamen freitags an, halfen das ganze Wochenende und fuhren Sonntagnacht zurück, um am nächsten Tag pünktlich an der Arbeit zu sein.

Für Marion Roselieb gab es viele emotionale Momente: „Diese Menschen haben Schreckliches erlebt, stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, und sind trotzdem so unfassbar dankbar und freundlich.“ An den Fenstern hängen selbstgemalte Transparente. „#wearefamily“ steht dort in großen Buchstaben. Am Ortseingang haben die Bewohner ein Plakat mit der Aufschrift „Kreuzberg dankt den Helfern“ installiert. „Das macht Mut und zeigt uns, dass unser Einsatz absolut richtig und notwendig war“, erklärt sie.

Die Familie Roselieb wird auch in den kommenden Wochen wieder nach Kreuzberg fahren. „Der Winter steht vor der Tür.“ Wegen der überfluteten Keller sind viele Unterkünfte nach wie vor ohne Stromversorgung und ohne Heizmöglichkeit. „Wir brauchen dringend mobile Heizgeräte!“ Aber auch Handwerker seien nach wie vor gesucht. „Vor allem Heizungs- und Sanitärfachleute sowie Elektriker werden vor Ort gebraucht.“ Material- und Werkzeugspenden nehme er ebenso wieder mit. In Zusammenarbeit mit dem Mündener Baustoffmarkt BHG können alle, die den Kreuzbergern helfen wollen, eine Barspende abgeben. Das Geld wird dann direkt für den Einkauf von Baumaterialien verwendet. „Jeder Cent hilft“, erklärt Roselieb.